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eigener Definition im Grunde doch wieder als subjectives Recht
— und eine merkliche Beruhigung findet das juristische Gewissen
kaum, wenn wohl ein subjectives Recht zu reisen, sich an einem
bestimmten Orte niederzulassen u. s. w. negirt, zugleich aber
erklärt wird, das Reisen, Niederlassen, Betreiben eines Gewerbes
sei „Ausübung des Rechtes der Freiheit“.
Das subjective Recht ist Herrschaft des Willens eines
Individuums über den Willen eines anderen?” Wo dieses
Moment der Herrschaft mangelt, kann ein subjectives Recht nicht
gefunden werden, und ebensowenig ist von Ausübung des Rechtes
zu sprechen, wo diese Herrschaft nicht zur Bethätigung gelangt.
Alles Recht besteht nur durch und für den Willen, es äussert
sich in der Gebundenheit eines Willens durch einen andern.
Das haben objectives und subjectives Recht gemein, und nur um
dieses gemeinsamen Begriffsmerkmales willen darf man sie über-
haupt beide in dem Begrifisganzen „Recht“ zusammenfassen. Das
subjective Recht ist aber freilich Herrschaft eines an sich macht-
losen Willens, des Willens eines Individuums als solchen, es ist
dadurch bedingt, dass diesem ein machtvoller Wille, der Wille
des Staates, zur Seite tritt. Das subjective Recht ist bedingt
durch einen Satz des objectiven Rechtes, welcher an den Willens-
inhalt des Individuums den Imperativ knüpft, diesen Willen
zur Herrschaft potenzirt. Das subjective Recht ist zu-
nächst ein Zustand ruhender Herrschaft ?®), das Herrschaft-
27) ÜNGER a. a. 0. S. 492. 499; die daselbst niedergelegten Grundgedanken
gelten für alle subjectiven Rechte, nicht für die Privatrechte allein.
8) Das Verhältniss zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten
ist dauernd durch die Rechtsnorm beherrscht, und es ist darum richtig,
dass der gesetzliche Imperativ für den Verpflichteten fortwirkt, auch ohne
dass noch der Berechtigte seinen Willen geäussert hätte (Bmpme, Die
Normen und ihre Uebertretung I S. 150 fl.). Dieser Zustand, in welchem
der Wille des Berechtigten und jener des Verpflichteten in keine unmittel-
bare Berührung kommen, insbesondere der herrschende Wille nicht activ
wird, möchte eben mit den Worten „ruhende Herrschaft“ bezeichnet werden.
Nicht berechtigt ist man dagegen, um dieser, ohne Zuthun des Berechtigten
fortdauernden Geltung des Imperativs willen, zu negiren, dass der Ver-
pflichtete durch den Willen des Berechtigten gebunden ist, dass es
die Willensherrschaft des letzteren ist, welcher der Verpflichtete unterworfen
ist (vgl. WacH im Gerichtssaal 1873 S. 450 ff). Ohne Weiteres wird freilich