Full text: Archiv für öffentliches Recht.Dritter Band. (3)

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der Frage, ob der Thatbestand vorliegt, welchen das Gesetz 
treffen wollte, der richterlichen Ueberprüfung unterzogen werde. 
Nur in Rücksicht seiner Rückwirkung auf die öffentlichen Inter- 
essen entzieht sich der Thatbestand der Beurtheilung des Rich- 
ters. Behufs Charakterisirung des vorausgesetzten Thatbestandes 
mag sich dann das Gesetz noch so allgemeiner Ausdrücke be- 
dienen, ja es mag denselben selbst nur durch Benennung der Art 
des öffentlichen Interesses, welches es geschützt wissen will, kenn- 
zeichnen, immer ist doch ein Anhaltspunkt gegeben, um gegebenen 
Falles eine Gesetzwidrigkeit der behördlichen Verfügung durch 
Richterspruch zu constatiren. Im Falle der speciellen Benennung 
des öffentlichen Interesses liegt die gesetzliche Schranke für die 
Verwaltungsbehörde eben darin, dass sie im concreten Falle ein 
öffentliches Interesse anderer Art nicht in Betracht ziehen 
darf *°). 
Gewiss enthält 8 6 des österr. Gesetzes vom 15. November 
1867 eine sehr allgemeine Ermächtigung für die Behörde, wenn 
er sagt, jede Versammlung könne untersagt werden, deren 
Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl 
gefährdet. Gleichwohl ging das Reichsgericht, welches diese Be- 
stimmung auch auf die Genehmigung von Versammlungen unter 
freiem Himmel bezieht, niemals von der Ansicht aus, dass das 
Ertheilen oder Versagen einer solchen Genehmigung durchaus in 
das freie Ermessen der Behörde gestellt wäre. Dasselbe hält 
4%) Vgl. z. B. E. d. österr. V.-G.-H. Bupwissk1, n. 634. — Zum min- 
desten dadurch ist auch in Frankreich die Behörde in Rücksicht der Ge- 
nehmigung von schädlichen Gewerbeanlagen nach dem Decret vom 15. Octo- 
ber 1810 gebunden. Es verdient immerhin hervorgehoben zu werden, dass 
das französische Recht gerade gegenüber dem eine solche Genehmigung ver- 
sagenden Acte der Behörde (allerdings auch gegenüber der Ertheilung der 
Genehmigung) eine Ausnahme von der Regel eintreten lässt, dass gegen 
Polizeimassregeln die ordentliche Verwaltungsklage nicht stattfindet. Es 
muss darin freilich mit Rücksicht auf die Scheidung der ordentlichen Ver- 
waltungsklage und des r&cours pour exc&s de pouvoir, wie sie in Frankreich 
besteht, eine Irregularität erblickt werden. Gleichwohl mag man darin 
zugleich einen Beleg finden, dass der Gesetzgeber einen, wenn auch durch 
Gesetz nicht näher definirbaren Anspruch des Antragstellers anerkennen 
wollte.
	        
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