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strafgesetzbuches fast vollständig den in einigen anderen Strafgesetzen für
die strafrechtliche Verfolgung der Inländer wegen gewisser im Auslande
begangener strafbarer Handlungen aufgestellten Erfordernissen, wobei jedoch
nicht zu übersehen ist, dass es sich im $ 4 Nr. 3 Abs. 2 um einen Thäter
handelt, welcher bei Begehung der Handlung noch nicht Inländer, noch
nicht Deutscher war. So verlangt der Code d’instruection criminelle vom
17./27. November 1808 bezw. das französische Gesetz vom 27. Juni 1866
im Art. 5 Abs. 4 eine „denonciation officielle & l’autorite francaise par
l’autorit€ du pays, oü le delit a ete commis“ '°), das belgische Gesetz vom
17 April 1878 in den Artikeln 6, 8 und 9 ein „avis officiell donne & l’auto-
rit&e belge par l’autorite etrangere“, also ebenfalls eine amtliche Mittheilung,
einen amtlichen Bericht, eine Erklärung von Staat zu Staat.
Aus der soeben erörterten Bedeutung des fraglichen Antrages, als
eines justizpolitischen Aktes, ergiebt sich auch, dass unter der „zustän-
digen Behörde“ des $ 4 Nr. 3 Abs. 2 nicht die für die Strafverfolgung
der Handlung nach den Gesetzen des Auslandes oder nach Staatsverträgen
zuständige Behörde des Auslandes zu verstehen ist, dass dieser Antrag viel-
mehr nur von den zufolge internationaler Vorschriften zuständigen Organen)
von derjenigen Behörde des Landes, welche nach dessen Verfassung bezw.
nach abgeschlossenen Staatsverträgen zur Stellung berechtigt erscheint 1%),
von der Centralstelle, welche im völkerrechtlichen Verkehr nach Aussen hin
das Land vertritt!”), d. h. also von der betreffenden Staatsregierung und deren
Gesandten ausgehen kann.
Dieser Punkt allein, die Initiative zur Strafverfolgung seitens der aus-
wärtigen Regierung, ist es, in welchem sich der Verfolgungsantrag aus $ 4
Nr. 3 Abs. 2 mit dem Antrage der $$ 102. 103 des Reichsstrafgesetzbuches
deckt. Auch bei feindlichen Handlungen gegen befreundete Staaten bezw.
bei Beleidigung des Landesherrn oder des Regenten eines dieser Staaten
tritt nämlich die Verfolgung nur auf Antrag der auswärtigen Regierung ein.
Während aber in diesen Fällen die Staatsanwaltschaft beim Vorhandensein
des erforderlichen Antrages den strafprozessualen Bestimmungen gemäss
($ 152 Abs. 2 Str.-P.-O,) zum Einschreiten verpflichtet ist, ist die Verfolgung
15) Loi concernant les crimes, les delits et les contraventions commis &
l’etranger du 27. juin 1866 (Bulletin des lois p. 917). Article I: „Les
articles 5, 6, 7 et 187 du Code d’instruction criminelle sont abroges et seront
remplaces ainsi qu’il suit: Art. 5: .. . „En cas de delit commis (sc. par
un Francais hors de territoire de France) contre un particulier francais ou
etranger, la poursuite ne peut ätre intentee qu’& la requete du ministere
public; elle doit &tre preced6 d’une plainte de la partie offensde ou
d’une denonciation officielle &l’autorite frangaise par l'’autorite
du pays, oü le d&lit a et6& commis.*
16) cf. OLSHAUSEN a. a. O. S. 65 Anm. 11.
17) cf. OPPENHOFF 8. a. O. S.35 Anm. 31 zu $4 und von SCHWARZE a. a. O.
S. 59.