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im Falle des $ 4 in das freie Ermessen der Staatsanwaltschaft gestellt, also
keine obligatorische, sondern eine fakultative'?). Es wird, wie sich hieraus
ergibt, die Staatsanwaltschaft in den Fällen der $$ 102. 103 stets und un-
mittelbar um Uebernahme der strafrechtlichen Verfolgung, um Einleitung des
strafrechtlichen Verfahrens angegangen werden, während im Falle des $ 4
den obigen Ausführungen gemäss dem deutschen Staate von der strafbaren
Handlung seitens der Regierung des Auslandes nur in irgend einer Form
Kenntniss gegeben, die etwaige Uebernahme einer strafrechtlichen Unter-
suchung nur angeregt wird, die weiteren Schritte aber, insbesondere die
thatsächliche Einleitung der Verfolgung und des Verfahrens, den deutschen
Behörden völlig anheimgestellt werden.
Aus den vorstehenden Erörterungen, d. h. aus der Entstehungsgeschichte
des Zusatzes zu $ 4 Nr. 3 und speziell des Nachsatzes zu diesem Zusatze,
sowie aus der Natur und dem charakteristischen Wesen des gemäss dieser
Bestimmung zur strafrechtlichen Verfolgung erforderten Antrags der zu-
ständigen ausländischen Behörde folgt mit Nothwendigkeit, dass dieser Antrag
von dem in den 88 61 ff. des Reichsstrafgesetzbuches behandelten Antrage
des Verletzten oder anderer Berechtigten gänzlich verschieden ist, und dass
der Gesetzgeber nicht beabsichtigt haben kann, die Fälle des $ 4 Nr. 3
Abs. 2 systematisch als Antragsdelikte zu behandeln und den in den $$ 61 ft.
aufgestellten Grundsätzen zu unterwerfen.
Zur Bestärkung dieser Auffassung kommt hinzu, dass die in Rede
stehenden internationalen Bestimmungen in dem allgemeinen Theile und zwar
in den einleitenden Bestimmungen zum Reichsstrafgesetzbuch abgehandelt
sind, dass ferner gerade an der entscheidenden Gesetzesstelle über die Zu-
lässigkeit oder Unzulässigkeit der Verfolgung einer im Auslande begangenen
stratbaren Handlung nach den Strafgesetzen des Deutschen Reichs einander
gegenübergestellt werden im $ 4 Nr. 3 Abs. 2 das Erforderniss des Er-
suchens der ausländischen Behörde und im $ 5 Nr. 3 das Erforderniss eines
Strafantrages des Verletzten !?), und endlich, dass die in den 88 61 ff. über
den Strafantrag enthaltenen Bestimmungen, insbesondere die Vorschrift des
8 61 über die Antragsfrist, sich nach ihrer Fassung und ihrem Inhalte un-
zweifelhaft nur auf die sog. Antragsdelicte (im Gegensatz zu den Official-
delicten), d. h. auf diejenigen im besonderen zweiten Theile des Strafgesetz-
buchs behandelten Gesetzesübertretungen, deren Verfolgung von einem Antrage
des Verletzten abhängig gemacht ist, beziehen.
Zwecks Begründung des letzteren Punktes mag hier nur noch angeführt
18) „Jedoch kann nach den Strafgesetzen des Deutschen Reichs ver
folgt werden ...... “ heisst es im $ 4.
10) Vgl. auch die oben citirte Bestimmung des französischen Gesetzes,
vom 27. Juni 1866, in welcher der „denonciation officielle*, der amtlichen
Anregung, die „plainte de la partie offensee“, der Strafantrag des Verletzten,
direkt gegenübergestellt wird.