Full text: Archiv für öffentliches Recht.Vierter Band. (4)

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zerlegen, die ebenfalls wieder Personen sind; denn dadurch wird 
der Gesammtverband aus einer Einheit zu einer Summe von 
Einheiten degenerirt, d. h. seine Persönlichkeit aufgehoben“ #°), 
Diese Auffassung zeigt in der That, dass GIERKE nur allzu 
Recht hat, wenn er seine Theorie als eine für das privatrecht- 
liche Denken unfassliche bezeichnet ’°%.. Zwar meint LABAND, es 
gebe keine Besonderheiten des privatrechtlichen Denkens”?!). Wenn 
man aber täglich in Litteratur und Leben beobachten kann, wie 
ungemein schwer es gewiegten Civilisten wird, sich in den Ideen- 
gang, die Begriffe und Ziele des öffentlichen Rechts einzuleben, 
so muss die schon an sich naheliegende Ueberzeugung bestärkt 
werden, dass die Beschäftigung mit fundamental verschiedenen 
Rechtsgebieten auch eine verschiedene Technik des Denkens aus- 
zubilden vermag. Und LABAnn beweist durch seine obige Aus- 
führung, dass selbst er, der sich im Reiche des Staatsrechts so 
ehrenvoll Bürgerrecht erworben, zu Zeiten noch im heimischen 
Dialekt des Privatrechts spricht und denkt. Allerdings führt der 
Umstand, dass die meisten allgemeinen, sämmtlichen Rechts- 
gebieten gemeinsamen Rechtsbegriffe herkömmlich im System des 
Privatrechts entwickelt werden, leicht zu Irrungen. Da gilt es 
sorgsam zu scheiden. So ist der Begriff der Person als solcher 
— wie schon oben betont wurde — ein allgemeiner Rechtsbegriff; 
seine Identifieirung mit dem Individuum jedoch eine privatrecht- 
liche Eigenthümlichkeit; denn das Privatrecht ist überwiegend 
Individualrecht und kennt als solches den Begriff des Organischen 
meist nur als zierendes Bild”). Im Begriffe des Organis- 
mus aber liegt die Ueberwindung jener Identität 
  
69) L,ABAnD, Staatsrecht, 2. Aufl., Bd. I, S. 78, 79. 
70) SCHMOLLER’s Jahrbuch, 7. Jahrg. (1883). H. 4, S. 32. 
1) a. a. 0.8.79, n.1. 
73) Charakteristisch für die individualistische Auffassung des Privatrechts 
ist die Definition des preuss. Landrechts $ 1, Tit. I, Theil I: „Der Mensch 
wird, insofern er gewisse Rechte in der bürgerlichen Gesellschaft geniesst, 
eine Person genannt.“
	        
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