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von Person und Individuum. Das öffentliche Recht, welches
ausschliesslich Sozialrecht ist, basirt völlig auf dem Wesen
des Organischen; und dies ist hier kein Bild noch Analogon,
sondern das wahre und wirkliche Wesen der Dinge. Dess-
halb haben wir diesen Erörterungen über die Personentheorie
die Darlegung der organischen Anschauung vorausgeschickt.
Wären Person und Organismus Gegensätze, so hätte FRICKER”?)
Recht, indem er für den Staat die erstere Bezeichnung zu Gunsten
der letzteren verwirft. In Wahrheit sind sie jedoch keine Gegen-
sätze, sondern verhalten sich vielmehr zu einander wie die Art
zur Gattung; denn — jede Person ist ein Organismus’”‘).
Im Anschluss an die naturwissenschaftliche Erklärung HyrTL’s
haben wir oben als das auch in der Staatswissenschaft wirksame
Wesen des Organischen die Vereinigung von an sich heterogenen
Theilen zu einem lebensfähigen Ganzen, dem Organismus, erkannt.
Wohl muss jeder organische Theil seine partielle Existenz den
Existenzbedingungen der Gesammtheit unterordnen; aber zugleich
hängt wieder jedes Glied mit allen übrigen so zusammen, dass
„keines aufgehoben werden darf, ohne den Begriff des Ganzen zu
stören“. Demgemäss beruht das begriffliche Wesen des Orga-
nismus gerade darauf, dass er eine Einheit in der Vielheit ist;
für die gedankliche Erfassung dieses Wesens ist es erforderlich,
die beiden Seiten, Einheit und Vielheit, im Auge zu behalten;
denn die blosse Vielheit ist ein unorganisches Nebeneinander, die
blosse Einheit ist eine ungegliederte, unorganische Masse; erst
die „Durchdringung der Einheit durch die Vielheit“ schafft einen
Organismus. Wenn nun — wie wir oben gesehen — die orga-
nische Anschauung unmöglich sich auf den Staat beschränken
kann, vielmehr sich auf das Wesen der Person überhaupt erstrecken
muss, so kann man logisch zur Erkenntniss dieses Wesens der
8) Die Persönlichkeit des Staates, in der Tübinger Zeitschr. Bd. XXV
(1869).
74) Vgl. oben 8. 69.