Full text: Archiv für öffentliches Recht.Vierter Band. (4)

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specifisch publicistisches oder besser organisch-socialrechtliches, für 
welches innerhalb des Individualrechts absolut kein Raum ist. 
LABAND selbst gibt dies zu, indem er sagt®*): „Das Privatrecht 
kennt eine Herrschaft nur über Sachen®®),.... freien Personen 
gegenüber kennt es nur Forderungen, welche kein Zwangsrecht 
gegen den Schuldner enthalten, und die nicht die Rechtsmacht in 
sich schliessen, ihm etwas zu befehlen.“ Da er jedoch für die 
Persönlichkeit des Staates die individualistische Anschauung fest- 
hält, so vermag er diesen Wesensunterschied zwischen Individual- 
und Sozialrecht nicht zu erklären; sondern muss sich mit der 
blossen Konstatirung der Thatsache begnügen. Den Grund dafür, 
dass das Individualrecht den Begriff der Herrschaft, welcher das 
ganze Sozialrecht erfüllt, nicht kennt, vermag man nur in dem 
oben entwickelten Wesen des Organischen, als der Grundlage 
alles öffentlichen Rechts, zu finden. Bei der individualistischen 
Anschauung, welche die Willenseinheiten (Personen) als begrifflich 
verschieden und unabhängig rein äusserlich neben einander stellt, 
kann eben desshalb von einer Ueber- und Unterordnung dieser 
Willenseinheiten keine Rede sein. Eine solche entsteht erst, wenn 
man die Persönlichkeiten nicht als unorganisch neben einander, 
sondern als organisch in und über einander stehend betrachtet; 
wenn man die einen als Gliedpersonen, als organische Theile 
einer höheren Gesammtperson auffasst. Dann erscheint die Unter- 
ordnung des Theilwillens unter den aus der Gesammtheit der 
Theilwillen organisch sich zusammensetzenden Gemeinwillen nur 
als eine Anwendung des allgemeinen Naturgesetzes, nach welchem 
der Gliedorganismus in allen seinen Lebensregungen dem Leben 
des ihn umschliessenden Gesammtorganismus untergeordnet ist. 
*) a.2. 0. 8.64; vgl. auch die dort n. 2 citirten Arbeiten Sonm’s 
und Rosm’s. 
85) Die dinglichen Rechte sind nicht eigentlich als Herrschaft zu be- 
zeichnen; denn von der Ueberordnung eines Willens über einen andern, was 
für den Begriff der Herrschaft wesentlich ist, kann dabei offenbar nicht die 
Rede sein. — Anderer Meinung Rosm in Hirth’s Annalen 1883, S. 298.
	        
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