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(S. 194); die Schöpfung einer Persönlichkeit oder eines Organs,
behauptet er (S. 387), könne niemals ein Rechtssatz sein, viel-
mehr knüpfe alles Recht an bereits existirende Persönlichkeiten
oder Organe an. Aber mag man auch zugeben, dass die juri-
stischen Personen nicht (willkürliche) Schöpfungen des Rechts
sind, so bedarf doch jede juristische Person für ihre rechtliche
Existenz und Organisation mindestens der Anerkennung durch
einen Rechtssatz !?), und diese Anerkennung kann nicht von dem
das Lebenselement der juristischen Person bildenden Zwecke völlig
absehen.
Im Verlaufe seiner Untersuchungen macht aber auch JELLINEK
selbst von dem für die Jurisprudenz verworfenen Zweckbegriff
einen umfassenden und tiefgreifenden Gebrauch. Die Funktionen
der Staatsgewalt -- Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung
— unterscheidet er lediglich nach ihren Zwecken (8. 213 ff.) Und
wenn er behauptet, diese Differenzirung der Staatsthätigkeit sei
nicht Aufgabe der Rechtswissenschaft, sondern umfassender staats-
wissenschaftlicher Betrachtung, so verkennt er, dass die Juris-
prudenz, indem sie sich jene Begriffe aneignet, den Inhalt der-
selben unmöglich ignoriren kann. Noch auffallender ist es, dass
JELLNEK einen so specifisch juristischen Unterschied, wie den-
jenigen zwischen Gesetz im formellen und im materiellen Sinn,
auf den verschiedenen (nächsten) Zweck des Staatsaktes zurück-
führt (S. 240). Auch die wesentlich juristische Frage, wann eine
Reihe von Verwaltungsthätigkeiten als ein einheitlicher Akt zu
betrachten sei, will JELLINEK nach dem Vorhandensein oder
Fehlen eines gemeinsamen Zweckes entscheiden (S. 221— 222).
Die Grundansicht, welche die Rechtswissenschaft auf die äusseren
12) Auch die Vertheidiger der realen Wesenheit der juristischen Person
„leugnen nicht, dass eine juristische Person als solche nur kraft des objek-
tiven Rechtes zu bestehen vermag“ (GIERKE in dem eben genannten Werke,
S. 19—20. Dass für die juristische Person, im Gegensatz zur physischen
Person, das Organ ein Rechtsbegriff, hat derselbe in Schmoller’s Jahrbuch,
Bd. VI, S. 1138 ff., und in dem angef. Werke, S. 615, richtig hervorgehoben).