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dieser Materie namentlich im Zusammenhang mit der umfassenden wirth-
schaftspolitischen Gesetzgebung unserer Tage gefehlt, aber eine einheitliche
Regelung hat das Vereins- und Versammlungsrecht, also nach der Begriffs-
bestimmung des Verfassers, das Recht der Staatsbürger, sich zur gemein-
schaftlichen Verfolgung politischer und nichtpolitischer Zwecke zu verbinden,
bezw. zu versammeln, — noch nicht gefunden. Ein Einblick in den faktischen
Rechtszustand ist daher nur auf dem Wege einer genauen Erkenntniss der
einschlägigen an Zahl und Umfang geringen reichsrechtlichen, und der an
Zahl, Umfang und Mannigfaltigkeit überreichen partikularrechtlichen Rechts-
vorschriften zu erlangen. Eine Vergleichung dieser gesetzlichen Vorschriften
der einzelnen Bundesstaaten ergibt nun, dass dieselben nicht nur formell,
sondern auch materiell wesentlich von einander abweichen. Einzelne Staaten
machen die Abhaltung von Versammlungen und die Bildung von Vereinen
jeder Art von der polizeilichen Genehmigung abhängig, andere verlangen
nur eine Anzeige bei der Polizeibehörde. In dem einen Bundesstaate ist
der Polizeibehörde uneingeschränkt das Recht eingeräumt, Versammlungen
aufzulösen, in dem andern ist sie hiezu nur in ganz bestimmten Fällen und
unter Beobachtung gewisser Formen berechtigt. Die endgültige Schliessung
von Vereinen endlich liegt in dem einen Lande in der Hand der Ver-
waltungsgerichtsbehörden, in dem ande:ın liegt die Befugniss hiezu in den
Händen der Gerichte. So umfassend auch das vom Verfasser zum Nachweis
für diese Sätze aus den Gesetzgebungen der einzelnen deutschen Bundes-
staaten geholte positive Material ist, so fällt es uns doch schwer, mit ihm
ein unbedingtes Postulat nach Herstellung der Rechtseinheit und Rechts-
gleichheit gerade auf dem Gebiete des Vereins- und Versammlungsrechts
anerkennen zu sollen. Die grossen Verschiedenheiten in der Entwicklung
des politischen Lebens der Deutschen Staaten, ja der Bevölkerungstheile
cines und desselben Deutschen Grossstaates und mancher Mittelstaaten
stellen der praktischen Realisirung dieser Forderung gewichtige Hindernisse
in den Weg, deren Hinwegräumung zur Zeit mit grösseren Uebelständen
verbunden sein dürfte, als diejenigen sind, welche aus der bestehenden In-
congruenz der Einzelgesetzgebungen fliessen. Stoerk.
Stocquart, Le privilöge d’exterritorialite specialement dans ses
rapports avec la validite des mariages celebrcs & l’am-
bassade ou au consulat, Bruxelles, librairie Europeenne 1888.
Die zuerst in der Revue de droit international veröffentlichte Abhand-
lung berührt einen wunden, im praktischen Leben sehr fühlbaren Punkt des
internationalen Rechtes, nämlich die Unterschiede zwischen den Gesetz-
gebungen bezüglich der Voraussetzungen, unter denen Ehen vor einem Ge-
sandten oder Konsul abgeschlossen werden können. Der Verfasser stellt die
Regelung der Frage nach den Rechten Frankreichs, Belgiens, Italiens, der
Niederlande, Deutschlands, Englands, Schottlands, der Vereinigten Staaten