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Genossenschaft gegenüber jenem der privaten Gesellungen (der Vereine) für
die in Rede stehende Abgrenzung zu verwerthen, in Folge dessen ihm die
Regelung des inneren Vereinslebens als Angelegenheit des öffentlichen Rechts
erscheint, wodurch er sich mit den herrschenden Anschauungen allerdings
in einen nicht unwesentlichen Gegensatz stellt. Auch scheinen uns die Aus-
führungen über die gemischten Rechtsverhältnisse auf S. 72 ff. mit dem auf
S. 60 hervorgehobenen Grundsatze, demzufolge ein Rechtsverhältniss für
dessen beide Träger nothwendig qualitativ dasselbe sein müsse, nicht voll-
kommen in Einklang gebracht werden zu können, nachdem doch bei Geltung
dieses Grundsatzes beispielsweise unmöglich der Anspruch auf Durchführung
der Enteignung einen publizistischen, dagegen der Anspruch des Exproprirten
auf Gewährung angemessener Entschädigung einen privatrechtlichen Charakter
an sich tragen könnte. Dies wäre nur dann möglich, wenn man das einheit-
liche Rechtsverhältniss im Widerspruche mit seinem inneren Wesen nach
seinen einzelnen Phasen in verschiedene Beziehungen auftheilen würde.
Wenn wir nun auch nicht in allen Einzelheiten den Ausführungen des
Verfassers beistimmen können, so hindert uns dies doch nicht, der Arbeit
desselben volle Anerkennung zu zollen. Sie bietet reiches Material und eine
Fülle von Anregungen im Gewande lichtvoller Darstellung. Dem hoffentlich
in Bälde zu gewärtigenden Erscheinen der Schlusslieferung sehen wir daher
mit Spannung entgegen. Prazäk.
Dr. J. M. Bärnreither, Die englischen Arbeiterverbände und ihr
Recht. Ein Beitrag zur Geschichte der sozialen Bewegung in der
Gegenwart. I. Band. Tübingen, 1886, Laupp. XII u. 450 S.
Unter den zahlreichen Darstellungen, welche der Betrachtung der sozial-
politischen Schöpfungen Grossbritanniens gewidmet sind, verdient die vor-
liegende besondere Beachtung wegen der eingehenden Sorgfalt, welche diese
dem einzielenden umfassenden Gesetzesmaterial zuwendet. Nach einer von
grossen Gesichtspunkten geleiteten Einführung in den Stoff geht der Verfasser
zu einer gedrängten Geschichte und zu einer streng wissenschaftlichen Schil-
derung der Friendly Societies über, aus welcher uns nicht nur der ökonomische
Werth dieser in ihren wichtigsten Erscheinungsformen charakterisirten Hülfs-
kassen und Korporationen, sondern auch der Einfluss klar wird, den sie auf
die sonst so starren Formen des englischen Rechts zu gewinnen vermocht
haben. In diesem Sinne heben wir besonders hervor die im IV. Abschnitt
gegebene eingehende Verarbeitung des reichen Quellenmaterials und die vom
Autor klar entwickelten Grundzüge der staatlichen Arbeiterversicherung in
England. Das Buch, selbst ein Resultat tiefgreifender Studien und gewissen-
hafter objektiver Beobachtung an Ort und Stelle, besitzt die seltene Kraft
ohne Schaustellung eines breiten gelehrten Apparates den aufmerksamen
Leser zum Herrn eines weitschichtigen Materials, zum Mitwisser einer weit-
reichenden Rechtsreform zu machen. Stoerk.