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tert). Das Heilmittel gegen alle diese Uebelstände sieht der Verfasser in
folgenden Vorschlägen : 1) Strafprocess-Organ ist allein der Richter, und
zwar 2) im Vorverfahren allein der Untersuchungsrichter ; 8) in der Haupt-
verhandlung tritt ein deputirtes Gerichtsmitglied als Staatsanwalt auf.
Die Schwurgerichte beleuchtet der Verfasser hauptsächlich unter
dem Gesichtspunkte ihrer Beurtheilung durch den deutschen Juristentag
(dem er wohl eine zu grosse Bedeutung beimisst). Die Schwurgerichte be-
ruhten auf Unwahrheit und seien mit ihren Grundprincipien auch nicht ein-
mal verbesserungstfähig. Er sieht zunächst in der Art und Weise, wie aus
der grossen Zahl der zum Geschworenen-Amte Berufenen die kleine Anzahl
der in Funktion Tretenden herausdestillirt werde (durch Wahl, Loos, Ableh-
nung) nichts als Willkür. Ferner werde die Beweiswürdigung unter den
Händen der Geschworenen Gefühlssache, also wiederum Willkür. Nun will
aber der Verfasser die Schwurgerichte nicht ersetzen durch rechtsgelehrte
Gerichte ; denn es handele sich nicht sowohl um die Frage, ob erstere Ver-
trauen verdienen, als darum, ob sie es geniessen, und da nimmt
er an (S. 73), dass die „Laienrichter dies Vertrauen in höherem Grade ge-
niessen, als ausschliessliche Beamtengerichte“ (!), Er will auch keinen Ersatz
durch die in den Gesetzentwürfen vorgeschlagenen „grossen Schöffengerichte® ;
das anscheinend einheitliche Collegium sei doch ein zwiespältiges, die Laien
neben den Gelehrten meist Nullen. Er schlägt vor ein einheitliches Gericht
‘von 12 Schöffen und einem gelehrten Vorsitzenden; gegen des Letzteren
Antrag soll keine Verurtheilung erfolgen können; ihm soll die Strafzumes-
sung obliegen ; er soll die Urtheile absetzen, die nunmehr anfechtbar wären,
wie jedes andere; innerhalb jenes Collegiums entschiede absolute Majorität.
Die ganze Schrift ist — so beherzigenswerth eine Reihe ihrer Rügen
und Vorschläge ist — etwas pessimistisch angehaucht : schlimme, wenn auch
noch so entfernte Möglichkeiten sind zum Anlass zu Vorkehrungen dagegen
genommen. Aber wenn das Justizpersonal so tief gesunken wäre, hälfen
auch die schönsten gesetzlichen Einrichtungen nicht mehr. Dass die Staats-
anwälte eine so superiore Stellung gegenüber den Richtern hätten, davon
haben jedenfalls sie selbst bisher am wenigsten bemerkt. Wir fürchten auch,
dass der zum Staatsanwalt umgewandelte Richter bald all die Eigenschaften
entwickeln würde, die an Ersterem getadelt werden; die Aufsicht des Gerichts
wird dem „Collegen“ nicht viel thun. Die Ausführungen gegen die Schwur-
gerichte stellen deren Schäden und ihren in innerlicher Unwahrheit liegenden
Grund sehr treffend dar. Ob aber in dem zum Ersatze vorgeschlagenen Ge-
richte die Schöffen sich neben dem Vorsitzenden weniger als Nullen erweisen
würden, als sie nach Meinung des Verfassers es sonst thun, müsste erst die
Erfahrung lehren.
Dr. v. Marck.