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können dessen subjektive Gesichtspunkte doch nicht allein für die
Auslegung des Gesetzes bestimmend sein; vielmehr wird für die
Feststellung, ob das Gesetz, resp. der einzelne Theil desselben,
einen Rechtssatz enthält, vor allem der Wortlaut des Gesetzes
in Betracht kommen: Auch die näheren Ausführungen JELLI-
NEK’s über die in die Sphäre des (bloss) formellen Gesetzes
fallenden oder zugleich als materielle Gesetze zu charakterisiren-
den Staatsakte scheinen mir theilweise erheblichen Bedenken zu
unterliegen. Die Argumente, durch welche er das Erforderniss
der Allgemeinheit für den Begriff des materiellen Gesetzes zu-
rückweist (S. 236 ff.), müssen freilich m. E. als zutrefiende
anerkannt werden °®); insbesondere kann der individuelle Inhalt
eines Rechtssatzes nicht die Einreihung desselben ın die Kategorie
der Verwaltung rechtfertigen, da die Verwaltung. ihrem Wesen
nach sich in dem Rahmen des bestehenden Rechtes zu bewegen,
nicht selbst Rechtssätze zu erzeugen hat. In anderen Richtungen
aber scheint mir JELLINEK die begriffliche Sphäre der Verwaltung
übermässig auszudehnen und somit den Bereich des materiellen
(Gesetzes in nicht berechtigter Weise einzuengen. So ist er der
Ansicht, dass eine Aenderung des Staatsgebietes an sich ein
Verwaltungsakt sei (S. 243)°°); aber die Bestimmungen über die
räumliche Begrenzung des Staats sind als ein Theil der staat-
lichen Rechtsordnung zu betrachten, weil durch dieselben auch
der Kreis der seiner Gewalt unterworfenen Personen bestimmt
wird. Ebenso ist es nicht richtig, wenn JELLINEK gemäss seiner
oben (II) erwähnten Anschauung, dass ein Organ niemals durch
einen Rechtssatz geschaffen werde, allgemein die Errichtung von
°°) Damit ist jedoch die Auslegungsfrage, ob nicht der Ausdruck
„Gesetz“ in den deutschen Verfassungsurkunden, wenn im materiellen Sinne
gebraucht, gemäss dem früher herrschenden Sprachgebrauch nur auf allge-
‚meine Rechtsnormen sich bezieht, noch keineswegs erledigt.
®0) Ebenso allerdings auch LapBann, Das Budgetrecht nach .. . der
preussischen Verfassungsurkunde, S. 8—9, mit einer, wie mir scheint, mehr
witzigen als zutreffenden Begründung.