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kaum Jemand mehr in Abrede stellen wollen, dass in einem
solchen Falle ein privatrechtlicher Streit gar nicht vorliegt °®).
Der Versuch SAarwey’s 8°), das aufgestellte Princip dadurch zu
retten, dass der soeben berührte Fall als Ausnahme von der
aufgestellten Regel, derzufolge das Wesen des vom Kläger er-
hobenen Anspruchs für den Charakter der Streitsache und hie-
mit auch für die Öompetenzfrage massgebend sein soll, hingestellt
wird, kann als glücklich nicht bezeichnet werden. Wo man ge-
nöthigt ist, eine „Ausnahme“ von solcher Tragweite, wie die vor-
liegende, zuzugeben, kann man den Satz „exceptio firmat regulam“
zu Gunsten des aufgestellten Princips nicht anrufen, sondern es
erscheint gerade durch die vermeintliche Ausnahme die Irrigkeit
dieses Princips dargethan ®*).
Alle diese Schwierigkeiten und Widersprüche erscheinen be-
hoben, wenn man sich für die Ansicht entscheidet, dass für die
Beurtheilung des Wesens eines im Streite befangenen Verhält-
nisses der Umstand entscheidend ist, von welchem Gebiet
des Rechtes das den Gegenstand der behördlichen
Thätigkeit bildende Lebensverhältniss beherrscht
2) Auch MERKEL macht (a. e a. O., S. 393) der bekannten Legaldefinition
des Privat- und öffentlichen Rechts (l. 4 J. de just. et jure [I. 1]) den
Vorwurf, sie sei insofern unzureichend, als sie das Privatrecht nicht auf den
Schutz der Einzelinteressen den Einzelinteressen gegenüber be-
schränkt.
88) a. a. O. S. 109, 289.
*) Weit bedenklicher ist die Einschränkung, mit welcher Pratobevera
das hier bekämpfte Princip abzuschwächen sich genöthigt sieht. Er definirt
(S. 9) die Justizsache als „die Verfolgung und Entscheidung eines streitigen,
privatrechtlichen (erzwingbaren) Anspruchs der Mitbürger unter sich, in-
soweit die Erreichung der nächsten Zwecke der übrigen Ver-
waltungszweige zugleich bestehen (coexistiren) kann.“ Die Be-
denklichkeit dieser Anschauung wird am besten durch die weitere Behauptung
illustrirt, man dürfe in dieser Richtung nicht kleinlichen Rücksichten (z. B.
einer vorgeschützten Beschleunigung des Verfahrens oder Kostenersparniss)
entscheidende Bedeutung beilegen (S. 24). Wo ist dann aber die objective
Grenze der statuirten Ausnahme?
Archiv für öffentliches Recht. IV. 2. 18