Full text: Archiv für öffentliches Recht.Vierter Band. (4)

— 274 — 
wird. Die Competenzfrage wäre demnach prinzipiell folgender- 
massen zu entscheiden: Alle Lebensverhältnisse, welche nach Grund- 
sätzen des Privatrechtes (im objectiven Sinne des Wortes) 
zu beurtheilen sind, gehören, im Falle dieselben (fegenstand eines 
Streites werden ®°), zur Üompetenz der ordentlichen Gerichte. 
Dagegen gehört vor die Verwaltungsbehörden und vor die Ver- 
waltungsgerichte die concrete Regelung aller Lebensverhältnisse, 
welche nach Grundsätzen des öffentlichen Rechtes (abermals 
im objectiven Sinne des Wortes) zu beurtheilen sind. Diese 
unsere Ansicht wird von vielen Schriftstellern getheilt, jedoch ge- 
meiniglich in der oft missverstandenen Formel zum Ausdrucke 
gebracht, dass die Judicatur über privatrechtliche Ver- 
hältnisse den ordentlichen Gerichten zustehe ®). Auch in 
85) Die Ausübung richterlicher Functionen im eigentlichen Sinne des 
Wortes setzt stets einen Streit voraus. Die der Verwaltungsthätigkeit der 
politischen Behörden im Gebiete des öffentlichen Rechts correspondirenden 
Functionen besorgen im Gebiete des Privatrechts gewöhnlich die einzelnen 
Individuen selbst ohne Ingerenz der staatlichen Organe. Nur ausnahmsweise 
erscheint eine solche Einflussnahme vom Standpunkte des öffentlichen Inter- 
esses geboten, und diese Thätigkeit weist das positive Recht zum Theil den 
Gerichten (Verlassenschaftsabhandlung, obervormundschaftliche Agenden), zum 
Theil den Verwaltungsbehörden (Aufsicht über die Vermögensgebahrung 
juristischer Personen) zu. Doch ändert die aus Opportunitätsgründen erfolgte 
theilweise Zuweisung dieser Agenden an die Gerichte nichts an der That- 
sache, dass es sich hier um eine Verwaltungsthätigkeit, keineswegs um rich- 
terliche Functionen handelt. Vgl. Funke, S.79 not. 83, ferner ÜEBEL a. a. O. 
S. 373 ff. . 
ee) Pözr, S. 140 und in Samitsch’ Zeitschr. f. Verwaltungsrechtspflege 
H, S. 321; Berater, $ 2, S. 9 fi.; Burr, S. 831; REGELSBERGER, S. 66 und 
67; Martm, Lehrb. d. gem. Processes $ 21, S. 45; StauL, S. 610, 616; 
EiGENBRODT, S. 13 und 14; Pranıtz, S. 16; BwuntschLi, Krit. Vierteljahres- 
schrift, 6. Bd. (1864), 8. 278; Kaiser, Schweizer. Staatsr. II, S. 351 ; LEmAYER 
in der allgem. österr. Ger.-Ztg. 1872, No. 62 und in Grünhut’s Zeitschr. VIII, 
S. 762; HEYSsLER, S. 36. Ueber den Begriff des Rechtsverhältnisses vgl. ins- 
bes. NEunEk, Wesen und Arten der Privatrechtsverhältnisse (1866), S. 4 fl. 
und BÜRkKEL’s eingehende Besprechung dieses Werkes in der krit. Viertel- 
jahresschr. XI (1869), S. 191—233.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.