Full text: Archiv für öffentliches Recht.Vierter Band. (4)

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Die Unverantwortlichkeit bezieht sich auf alle Aeusserungen, 
welche der Abgeordnete als Abgeordneter im Reichstage gethan 
hat, ohne Rücksicht darauf, ob sie im Plenum oder in Kommission 
abgegeben wurden, und ohne Rücksicht auf ihren Inhalt. Hierbei 
ist jedoch nicht ausser Acht zu lassen, dass nur das einfache 
Wortdelikt mit dem Privileg der Straflosigkeit bekleidet ist, 
nicht aber auch ein anderes Delikt. Die Aufforderung zur Er- 
mordung der deutschen Fürsten, welche im Reichstage von einem 
Abgeordneten in Ausübung seines Berufes ausgesprochen wird, 
bleibt straflos; würde aber der Redner sich nicht damit be- 
gnügen, in allgemeiner Weise zu diesem Verbrechen aufzufordern, 
sondern würde er es wagen, dem Thäter bedeutende Geschenke 
zu versprechen, um ihn hierdurch zu der Ausführung zu bestimmen, 
so wäre er nach Verübung des Verbrechens als Anstifter zu be- 
strafen; denn in diesem Falle läge kein einfaches Wortdelikt vor, 
welches seinem ganzen Inhalte nach durch die parlamentarische 
Immunität gedeckt wird, sondern ein Delikt, bei dem durch Worte 
eine Theilnahme im Sinne des Strafgesetzes möglich ist, somit 
eine Handlung, auf die sich der Artikel nicht bezieht. 
Die Unverantwortlichkeit des Reichstagsabgeordneten für die 
in Ausübung seines Berufes gethane Aeusserung beseitigt die 
Möglichkeit, ihn wegen derselben gerichtlich oder disciplinarisch 
zu verfolgen oder ihn sonst auf irgend eine Weise ausserhalb des 
Hauses zur Verantwortung zu ziehen; sie kann weder die Grund- 
lage für eine gegen seine Person sich richtende Strafklage, noch 
für eine Civilklage bilden; auch der Abgeordnete, welcher sich 
seinem Geschäftstheilhaber gegenüber zur Bewahrung eines Ge- 
schäfts- und Fabrikationsgeheimnisses verpflichtet hat und das- 
selbe während seiner berufsmässigen Aeusserung kundgiebt, wird 
durch die Immunität sowohl gegen eine Schadensersatzklage wie 
gegen die Einklagung einer etwa vereinbarten Konventionalstrafe 
geschützt. 
Aus dem ausdrücklichen Verbot der Verfassung, den Ab- 
geordneten wegen seiner berufsmässig gethanen Aeusserungen 
ausserhalb des Reichstages in irgend einer Weise, also abgesehen 
von der gerichtlichen und disciplinarischen Verfolgung, zur Ver-
	        
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