Full text: Archiv für öffentliches Recht.Vierter Band. (4)

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antwortung zu ziehen, muss aber weiter gefolgert werden, dass es 
auch unstatthaft ist, einen Abgeordneten wegen einer in Aus- 
übung seines Berufes gethanenen Aeusserung zeugeneidlich zu 
vernehmen ?.. Die Vorladung eines Abgeordneten unter An- 
drohung der Strafen des Zeugnisszwanges zur eidlichen Auskunfts- 
ertheilung über Thatsachen, welche er im Reichstage in Ausübung 
seines Berufs vorgebracht hat, seine demnächstige Vernehmung 
unter Androhung der Strafen des Meineides stellt sich als eine 
Zurverantwortungziehung im Sinne des Gesetzes dar, und es bedarf 
gar nicht des Hinweises auf ausländische Verfassungen, deren 
Bestimmungen für die Formulirung des Artikels 30 massgebend 
waren, es bedarf insbesondere nicht des Hinweises auf die weiter 
unten zu betrachtenden Verfassungen Belgiens und Englands, um 
zu dem Resultate zu gelangen, dass es, mag auch der Wortlaut 
des Art. 30 vielleicht zu Zweifeln Anlass geben, dem Sinne der 
Verfassung jedenfalls nicht entspricht, den Abgeordneten wegen 
seiner in Ausübung seines Berufes gethanen Aewsserungen der 
Zeugnisspflicht zu unterwerfen. Nimmt man an, dass unter dem 
Zurverantwortungziehen, von welchem die Verfassung ganz generell 
spricht, nachdem sie zwei spezielle Arten der Zurverantwortung- 
ziehung, die gerichtliche und disciplinarische Verfolgung bereits 
hervorgehoben hat, die Vernehmung des Abgeordneten als Zeugen 
verstanden wird, so ist die Auslegung des Gesetzes einfach, und 
es ist nicht nothwendig, wie bei Festhaltung der entgegengesetzten 
Ansicht, der Gesetzesredaktion einen Pleonasmus und eine Tauto- 
logie zur Last zu legen; dass die Thätigkeit des Reichstags- 
abgeordneten, insbesondere seine Kritik an den Handlungen der 
Verwaltung ungemein erschwert würde, wenn die Möglichkeit be- 
stände, jeden Theil seiner beruflichen Aeusserungen zum Gegen- 
stand einer zeugeneidlichen Vernehmung zu machen, liegt auf der 
*) FuLp, Die Zeugnissverweigerung der Reichstagsmitglieder, Annalen 
des deutschen Reichs, 1888, S.6. Anderer Ansicht Bmpme, a. a. O. S. 676, 
Anm. 73; ebenso Lasann; LEwALD, Steht den Mitgliedern des Reichstags 
wegen der in Ausübung ihres Berufes gethanen Aeusserung ein Recht zur 
Zeugnissverweigerung zu? Gerichtssaal Bd. 89, S. 54—70; MiıTTELsTÄnr in 
den Preuss. Jahrbüchern Bd. 57, S. 557—573;, ferner die anonyme Darstel- 
Jung in den „Grenzboten“ Bd. 45, S. 618—621,
	        
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