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Ich weiche in doppelter Hinsicht von der MEYeEr’schen An-
sicht ab: einmal bin ich der Meinung, dass er den Begriff der
Politik zu eng fasst, indem er ihn nur auf das Staatsrecht be-
zieht; die Gesetzgebungspolitik spielt für alle Zweige des
Rechts, auch für das Privatrecht — eine wichtige Rolle,
Wenn man mit IHERInG *) davon ausgeht, dass der Zweck
der Schöpfer des ganzen Rechts ist, eine Ansicht, deren
Richtigkeit hier selbstredend nicht dargelegt werden kann — so
ergibt sich daraus von selbst, dass eine Prüfung des Rechts auf
seine Zweckmässigkeit hin nicht bloss beim Staatsrecht, sondern
auf allen Rechtsgebieten möglich und zulässig ist.
Unter „Politik“ verstehe ich desshalb einmal die Prüfung des
vorhandenen Rechts nach der Seite, ob es den Zwecken, welchen
es dienen soll, entspricht, und sodann die Aufstellung der Grundsätze,
welche anzuwenden sind, um das Recht „zweckgemäss“ zu gestalten.
Dagegen bin ich der Ansicht, dass es nicht Aufgabe einer
besonderen Lehre der „Politik“ sein kann, Grundsätze des zweck
mässigen Handelns innerhalb der Normen des Staatsrechtes
(bezw. des Rechts überhaupt) aufzustellen, da sich das „zweck-
mässige Handeln“ stets von Fall zu Fall bestimmt, und hierfür
höchstens innerhalb eines ganz eng begrenzten Gebietes generelle
Instruktionen gegeben, nicht aber allgemeine Grundsätze im Rahmen
eines Lehrbuchs aufgestellt werden können °).
*) Zweck im Recht; Motto.
5) Es erscheint mir angezeigt, hier dem, so viel ich sehe, weit verbrei-
teten Irrthum entgegenzutreten, als ob cin zweckmässiges Handem
nur auf dem Gebiete des Staats- und speciell des Verwaltungsrechts zulässig,
dagegen z. B. auf dem der Civilrechtspflege unzulässig und ausgeschlossen
sei, da der Civilrichter nur nach „strengen Rechtsgrundsätzen“ zu verfahren
habe. — Es ist nicht der Ort darzuthun, dass hier der Unterschied zwischen
„Justiz“ und „Verwaltung“, wie vielfach geglaubt wird, nicht zu suchen ist;
ich will hier nur durch einige Beispiele darauf hinweisen, dass auch der
Civilrichter, wenn er seiner Aufgabe in vollem Umfange gerecht werden
will, sich vielfach durch blosse Erwägungen der Zweckmässigkeit leiten
lassen muss.
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