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Sodann aber verstösst die Definition Rosın’s jedenfalls inso-
fern gegen den Sprachgebrauch, als Rosın unter „Selbstver-
waltung im juristischen Sinne“ nur die Verwaltung der
eigenen Angelegenheiten der Selbstverwaltungskörper verstanden
wissen will. (& 24, 2 8. 311, 8 29, 18. 321)1%).
Hat doch gerade GnEIsST, dessen Grundgedanken zweifel-
los in unserem heutigen, insbesondere preussischen Verwaltungs-
recht verwirklicht sind, immer und immer wieder mit aller In-
tensität betont, dass nicht sowohl die Wahrnehmung der gesell-
schaftlichen Interessen der lokalen Verbände durch gewählte
Vertretungen, als vielmehr gerade die Ausübung staatlicher
Funktionen der innern Landesverwaltung durch Ehren-
beamte als „Selbstverwaltung“ zu bezeichnen sei. Mit dieser
durch GnEisT herrschend gewordenen und sowohl von der Lite-
ratur, wie von der Gesetzessprache !7) adoptirten Auffassung ist
nun aber die Rosın’sche Definition durchaus nicht in Einklang
zu bringen.
Denn dies, was Rosın den „übertragenen Wirkungskreis der
Gemeinden“ nennt, insbesondere aber die Wahrnehmung von An-
gelegenheiten der allgemeinen Staatsverwaltung durch Gemeinde-
organe, will er von dem Begriff der Selbstverwaltung im Rechts-
sinne ausgeschlossen wissen (S. 311, 2).
Umgekehrt ist nun aber nach GnEist gerade die Wahr-
nehmung von Geschäften der Staatsverwaltung durch unbesoldete
Ehrenbeamte das Charakteristische der heutigen Selbstverwaltung
(GnEiısT, Pr. Kr.-O. S. 9, 18, 32, 48).
16) Rosın selbst hat in seiner Schrift: „Das Polizeiverordnungsrecht in
Preussen, Breslau 1882* — in unzweideutiger Weise das Wort Selbstver-
waltung vollständig im Gneist’schen Sinne und insbesondere auch zur Be-
zeichnung der sog. „obrigkeitlichen Selbstverwaltung“ gebraucht. 8. unten
sub IV.
17) Vgl. z. B. 8 26 des R.-G. vom 5. Mai 1886 (R.-G.-Bl. S. 132); Art.
IV des preuss. Ges. vom 20. Mai 1887 (G.-S. S. 189); $ 74 der preuss,
Kr.-O. in der Fassung des Gesetzes vom 19. März 1881 (G.-S, 8, 155),