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zu einer Reihe von Missgriffen in der Verwaltung in den Jahren
1850— 1858 geführt.
Eine Aenderung dieses Zustandes war nur möglich, wenn
nach Analogie der englischen Verfassungsentwicklung, jedoch in
Anknüpfung an die in Deutschland bestehenden Zustände
und Rechtsverhältnisse, eine wirkliche obrigkeitliche Selbstver-
waltung, insbesondere eine „Verwaltungsjurisdiktion® eingeführt
wurde.
Unter obrigkeitlicher Selbstverwaltung versteht GnEIST
die Wahrnehmung von staatlichen Funktionen der inneren
Landesverwaltung durch unbesoldete Ehrenbeamte
(im Gegensatz zu besoldeten Berufsbeamten). Verwaltungsjuris-
diktion ist Handhabung des Verwaltungsrechts und insbesondere
auch der streitigen Fragen desselben durch ständige verantwort-
liche Beamte, welche vermöge ihrer Unabhängigkeit die Garantieen
eines unparteiischen Richterspruchs bieten (Rechtsstaat S. 41;
Kr.-O. 8. 211).
Auf diese Weise wird der „Rechtsstaat“ zur Wirklichkeit:
dadurch, dass die gesellschaftlichen Klassen zur Mitthätigkeit bei
der Staatsverwaltung berufen sind, gewöhnen sie sich, ihren Ein-
fluss nicht in der Macht ihres Besitzes, sondern in der Erfüllung
staatlicher Pflichten zu suchen; ihr Rechtssinn wird durch be-
ständige Handhabung des Rechts geweckt und gefördert (Kr.-O.
3. 41 £).
Andererseits werden die Garantieen für eine unparteiische
Verwaltung dadurch gesichert, dass nicht ein von der Minister-
verwaltung rechtlich und ökonomisch abhängiger Beamter, son-
dern ein Privatmann, welcher sowohl vermöge seines Besitzes, wie
seiner Lebensstellung dem Minister gegenüber unabhängig ist, mit
der Verwaltung des Amtes betraut wird (Rechtstaat 8. 48; Kr.-O.
NS. 34).
Die Verwaltungsrechtsprechung weiterhin hat den Vortheil,
dass nicht die zur Anwendung des Verwaltungsrechts berufenen