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a. 2.0. 8. 392: „Pour nous, l’individu qui reste chez lui, s’abstient
de toute incursion personnelle sur le territoire soumis & une autre
puissance ne peut pas ötre, soit comme auteur principal, soit comme
complice, consider& comme espion“. Begeht ein Franzose ein delit
im Auslande, so ist seine Strafbarkeit zunächst davon abhängig, dass
seine That auch in dem Lande, in dem er sie begangen hat, bestraft
wird; sie muss in ihren wesentlichen Merkmalen sowohl unter das
französische, als auch unter ein ausländisches Strafgesetz fallen, es
genügt nicht, wenn nur eine analoge That im Auslande mit Strafe
belegt ist (vgl. ORTOLAN, Elements du droit p&nal I No. 918 bis).
Ein Franzose verräth in Deutschland ein französisches Staats-
geheimniss. Das deutsche Strafgesetzbuch wendet sich zwar auch
gegen eine derartige Handlung, nicht aber gegen dieselbe; denn es
gehört zu deren Wesen, dass das verrathene Staatsgeheimniss ein
französisches ist; nur solche, wie überhaupt nur Rechtsgüter des
französischen Staatswesens, schützt das Spionagegesetz; diese
finden aber bei uns keinen strafrechtlichen Schutz. Ein in Deutsch-
land wohnender Franzose giebt dem Spion die Werkzeuge zur
Aufnahme eines Festungsplans.. Auch das deutsche Strafgesetz-
buch sieht hierin einen Akt der Theilnahme, bestraft ihn aber
nicht, da es die Hauptthat nicht straf. Der Franzose wird da-
nach auch nicht von dem Spionagegesetz betroffen. — Ein in
Deutschland wohnender Franzose nimmt den entflohenen Ver-
räther auf oder birgt die ausgelieferte Urkunde. Das deutsche
Strafgesetzbuch erblickt hierin eine Begünstigung; dieselbe ist
zwar ein selbständiges Delikt, setzt aber ihrer Natur nach zu
ihrer Bestrafung ein nach deutschem Strafrechte strafbares Ver-
brechen oder Vergehen voraus. Dies ist hier nicht vorhanden,
der Franzose bleibt straflos.. Auch wenn die Handlung in einem
Lande verübt ist, welches eine Strafrechtspflege nicht besitzt, wie
es bei der nicht civilisirten Umgebung der französischen Kolonien
der Fall sein kann, bleibt der Thäter strafles. Das Ergebniss
ist: das Spionagegesetz findet keine Anwendung auf Handlungen,
die im Auslande begangen sind, sei es von einem Ausländer, sei
es von einem Franzosen. Dies ist eine Lücke des Gesetzes,
wenigstens insofern selbst der F'ranzose nicht zur Strafe gezogen