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werden kann. Gerade die Delikte des Spionagegesetzes lassen
sich auch im Auslande vornehmen, und die so wichtigen Güter
des Staates, die durch das Gesetz geschützt werden sollen, müssten
ebenfalls gegen Angriffe vom Auslande her behütet werden. Mit
Recht straft das deutsche Strafgesetzbuch $ 4 Ziffer 2 landes-
verrätherische Handlungen eines Deutschen, auch wenn sie im
Auslande begangen sind. Verschuldet wird jene Lücke des franzö-
sischen Rechts dadurch, dass die Handlungen gegen das Spionage-
gesetz nur als delits qualifizirt sind. Es bedarf entweder einer
Spezialbestimmung im Gesetze oder einer Erweiterung des Art. 5
im code d’instruction criminelle, welche die delits contre la süret&
de l’Etat, wenn sie von einem Franzosen im Auslande begangen
sind, in gleicher Weise wie die crimes unter Strafe stellt. That-
sächlich ist diese Lücke nicht so verhängnissvoll, wie es scheint.
Denn die schwersten Verletzungen des Spionagegesetzes stellen
sich auch als Verletzungen des code pönal, und zwar als crimes
dar. Alsdann ist die Bestrafung der im Auslande begangenen
Handlung schon unter der Voraussetzung möglich, dass der Ver-
brecher noch nicht im Auslande abgeurtheilt ist und in Frank-
reich gefasst oder dahin ausgeliefert wird (vgl. Art. 5—7 code
d’instruction criminelle).
Das Spionagegesetz findet Anwendung auf alle Handlungen,
die von Inländern und Ausländern auf französischem Staatsgebiete
begangen sind. Dies ist nur die Regel. Eine Ausnahme folgt
aus dem Gesetze. Der Art. 1 straft den vorsätzlichen Verrath
in erhöhtem Maasse, der Art. 4 den fahrlässigen Verrath nur
dann, wenn er von dem amtlichen Hüter des Staatsgeheimnisses
begangen ist; diese Bestimmungen werden nur auf französische
Beamte Anwendung finden, denen allein Staatsgeheimnisse an-
vertraut werden dürften. Der Art. 6 $2 des Verfassungsgesetzes
vom 25. Februar 1875 gewährt dem Präsidenten der Republik
strafrechtliche Unverantwortlichkeit, ausser im Falle von haute
trahison, worunter nur der eigentliche Hochverrath, nicht aber
Landesverrath und Spionage zu rechnen ist. Eine dritte Aus-
nahme ist völkerrechtlicher Natur. Die Gesandten nebst Familie
und Personal sind unverletzlich. Dies hat jedoch nicht die Be-