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den Erwerb eine Strafe gesetzt, so ist naturgemäss der zufällige
wie der gebotene auszunehmen. Schon hierdurch erlangt das
se procurer eine andere Bedeutung als im Art. 2, wo es nicht
auf den Erwerb, sondern auf die Auslieferung des erlangten
Schriftstückes ankam; wer eine Urkunde in den Papieren seines
Erblassers, in dem Pulte seines Amtsvorgängers findet und an
sich nimmt, wer sie dem fliehenden Verräther entreisst, ist, auch
wenn er selbst nicht zur Kenntnissnahme befugt ist, nicht straf-
bar. Andererseits kommt es auf die Art des Erwerbes nicht an,
ob er durch Diebstahl, Bestechung, Betrug, oder Bitten, Ueber-
redung, verbunden mit einer Pflichtwidrigkeit des Gebers, erfolgt;
hier kann ein zweites Delikt mit dem gegen das Spionagegesetz
ideell konkurriren. — Nicht unter das se procurer des Art. 3
fällt die eigene Anfertigung von Plänen, da dieselbe durch Art.
5 und 6 unter besondere ‚Strafe gestellt ist. Nur der Erwerb
der Schriftstücke selbst, nicht auch die unbefugte Kenntniss-
nahme ist bedroht; hier tritt ergänzend der Art. 5 Abs. 2 ein,
welcher das Einsammeln wichtiger Nachrichten mit Strafe belegt.
— Der Zweck des Erwerbes wird meist der sein, das Schriftstück
zn verrätherischen Handlungen zu benutzen, insofern wird das
Delikt häufig mit dem des Verrathes konkurriren; dass die Ver-
rathsabsicht keineswegs Voraussetzung des Deliktes ist, ist bereits
im allgemeinen Theile hervorgehoben; auch wer sich die Urkunde
aus Neugierde, aus wissenschaftlichem oder künstlerischem In-
teresse, oder, um sie zu zerstören, verschafft, ist strafbar. Ebenso
ist gleichgültig, ob man es thut, um sie zu behalten, oder um sie
alsdann einem Anderen zur Benutzung auszuhändigen. Wesent-
lich ist nur die Absicht, sie zunächst für sich selbst erwerben zu
wollen; daher fällt z. B. der, welcher eine Urkunde lediglich in
Verwahrung nimmt, nicht unter Art. 3, er ist nur Gehülfe nach
Art. 9 des Gesetzes. — Die Strafe betrug nach dem Regierungs-
entwurf 6 Monate bis 2 Jahre Gefängniss und 300—2000 frcs.;
sie ist von der Kommission auf 3 Jahre bezw. 3000 frcs. im Höchst-
betrage erhöht worden.
Der zweite Theil des Gesetzes wendet sich gegen die Spionage
im Frieden, und zwar gegen die Auskundschaftung des Staats-