— 486 —
gebietes und seiner militärischen Anlagen. Dieser Abschnitt ist
der wichtigste des Gesetzes, er hat demselben den Namen gegeben
und die Bedeutung verschafft, welche es sowohl in Frankreich,
als besonders im Auslande erlangt hat. Das Gesetz hat nämlich
mit jenen Bestimmungen einen Weg betreten, der in gleicher
Weise bisher weder vom code pe@nal, noch von einer anderen
Gesetzgebung !”) eingeschlagen worden ist. Da wirft sich die Frage
auf, ob eine Spionage im Frieden begrifflich denkbar, und ob sie
rechtlich mit Strafe zu belegen ist. Die Spionage !°) ist die im
Interesse eines Staates heimlich oder betrüglich in dem Gebiete
eines anderen Staates erfolgte Auskundschaftung von Zuständen
des letzteren, welche für den Krieg von Bedeutung sind. Diese
Spionage wird vornehmlich als Mittel zur Kriegführung benutzt,
ist aber ihrem Begriffe nach keineswegs auf die Zeit des Krieges
beschränkt. Aber warum ist sie im Frieden nur vereinzelt mit
Strafe bedroht? So lange die Völker miteinander im Frieden
leben, liegt es in ihrem gemeinsamen Interesse, einen möglichst
regen und ungehinderten Verkehr ihrer Angehörigen herbei-
zuführen; im allseitigen Ringen nach Civilisation theilen sie sich
einander ihre Hülfsmittel, Erfindungen, Erzeugnisse, Erfahrungen,
Ideen mit. Dieser Zustand wird jedoch von Zeit zu Zeit durch
Kriege unterbrochen. Je vorsichtiger ein Volk ist, desto mehr
sucht es schon im Frieden sich für einen künftigen Krieg zu
rüsten; hier gilt es auch, die Mittel seiner Nachbaren und etwaigen
Feinde nach Möglichkeit kennen zu lernen; dies zu verhindern,
ist wiederum Sache des fremden Staates. So gerathen zwei In-
teressen miteinander in Widerspruch, das eine, gerichtet darauf,
zur gegenseitigen Förderung seine Einrichtungen auch dem Aus-
lande mitzutheilen, das andere, dieselben vor Auskundschaftung
durch Fremde zu bewahren. Jedes Interesse für sich allein ver-
folgt führt zu nachtheiligen Konsequenzen. Gewährt man den
Ausländern beliebigen Einblick in die Einrichtungen des Staates,
17) Das deutsche St.-G.-B. $ 860 Z, 1 bestraft die unermächtigte Auf-
nabme und Veröffentlichung von Festungsplänen als Uebertretung.
18) cfr. HEFFTeR, Europäisches Völkerrecht, S. 480; von Kauprz’ Jahr-
bücher 1815, S. 69; so ähnlich die internationale Konferenz zu Brüssel 1874
bei CLuner $. 891 a. a. O. und dessen Bemerkungen ebendaselbst 8. 401 fl.