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selbständige und unabhängige Stellung der Selbstverwaltungs-
beschlussbehörden ist, das wird ein Beispiel klar machen.
Das Polizeiverordnungsrecht steht den Organen der Minister-
verwaltung dergestalt zu, dass jedes Organ nur für den Umfang
seines Bezirks (z. B. der Landrath für den ganzen Kreis oder
für mehrere Ortspolizeibezirke, der Regierungspräsident für den
ganzen Bezirk oder mehrere Kreise [nicht für einen Kreis]
seines Bezirks) Polizeiverordnungen erlassen kann.
Dies schliesst aber die Befugniss des höheren Organs nicht
aus, das niedere anzuweisen, für seinen Bezirk eine bestimmte
Polizeiverordnung zu erlassen. Einer solchen Weisung muss das
nachgeordnete Organ zweifellos und unbedingt Folge leisten.
Soweit dagegen zum Erlass einer Polizeiverordnung die Zu-
stimmung eines Organs der Selbstverwaltung, z. B. des Kreis-
oder Bezirksausschusses (88 139, 142 L.-V.-G.) erforderlich ist,
hat auf deren Entschliessung die Ministerverwaltung nicht den
geringsten Einfluss °).
°) Schon Rosm hat in seiner Schrift: Das. Polizeiverordnungsrecht in
Preussen (Breslau 1882) auf diesen Unterschied zwischen der Stellung der
Organe der Ministerverwaltung gegenüber denjenigen der Selbstverwaltung
aufmerksam gemacht (S. 144 und 155 a. a. O.). Dass auch die Staats-
regierung nicht verkannt hat, dass sie kein Recht zum Erlass von An-
weisungen an die Selbstverwaltungsbeschlussbehörden habe, dafür beruft sich
Rosm mit Recht auf die Drucksachen des Abgeordneten-Hauses, 1875, No. 14,
S. 33. Es heisst dort in den Motiven zu $ 93 des Entwurfes zu einer Pro-
vinzialordnung, welcher von einem den Ministerien neu einzuräumenden Polizei-
verordnungsrecht handelt, mit Bezug hierauf: „Bisher wurde dem Bedürfnisse
— (nämlich einer ministeriellen Polizeiverordnungsbefugniss) — dadurch
genügt, dass die Ressortminister die Bezirksregierungen beauftragten, die
erforderlichen Strafbestimmungen zu erlassen. Allein abgesehen davon, dass
dieses Verfahren schon dem Buchstaben des bisherigen Gesetzes nicht ent-
sprechen mochte, würde dasselbe in Zukunft jedenfalls nicht beibehalten
werden können, wenn der Erlass von Provinzialpolizeiverordnungen dem
Oberpräsidenten — unter Zustimmung des Provinzialausschusses — über-
tragen wird. Es würde der Stellung der Provinzialausschüsse zu den Mi-
nistern nicht entsprechen, wenn die ersteren die von den letzteren erlassenen
polizeilichen Anordnungen einer materiellen -Prüfung unterwerfen wollten,