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tungsgerichte fungiren, z. B. auch auf Grund des $ 64 L.-V.-G.
Namens der von ihnen vertretenen Behörde Bescheide erlassen,
von jeder ministeriellen Einwirkung unabhängig, dergestalt, dass
sie sich einer gemäss $ 336 R.-St.-G.-B. strafbaren Rechtsbeugung
schuldig machen würden, wenn sie wider ihre bessere Ueber-
zeugung eine gegen das Gesetz verstossende ministerielle Weisung
bei der Entscheidung?) einer Verwaltungsstreitsache befolgen
sollten 19).
®) Folgender praktische Fall möge das im Text Gesagte veranschaulichen:
Der preussische Minister des Innern hat auf Grund des $ 106 der Kr.-O.
für die Rheinprovinz unter dem 9. Juni 1887 eine Instruktion erlassen, wo-
nach (gemäss Art. 1 unter I, 7 und Art. 3) im Wahlverbande der Städte
und der Landbürgermeistereien Personen, welche das 21. Lebensjahr voll-
endet haben, als Kreistagsabgeordnete wählbar sein sollen. Diese Ansicht
ist meines Erachtens unrichtig, indem sie gegen den $ 50 Kr.-O., $ 5 St.-O.
und $ 25 G.-O. verstösst; nach diesen Vorschriften ist für die Wählbarkeit
in diesen Verbänden vielmehr die Vollendung des 24. Lebensjahres erforder-
lich (vgl. meine Eingangs citirte Schrift, S. 26 Anm. 9 und 8. 167).
Die Regierungspräsidenten sind nun zweifellos unter allen Umständen
verpflichtet, die ihnen nachgeordneten Behörden (z. B. die Landräthe und
Bürgermeister) dem Inhalte der Ministerial-Instruktion entsprechend mit
Weisungen zu versehen, auch wenn sie die Ansicht des Ministers für un-
richtig halten.
Falls sie aber auf Grund des $ 58 Kr.-O. als Vorsitzende des Bezirks-
ausschusses über eine Klage betreffend die Gültigkeit der Wahl eines Kreis-
tagsabgeordneten mitzuentscheiden haben, so dürfen sie nicht nur, sondern
müssen sogar ihre von der ministeriellen Instruktion etwa abweichende
Meinung in ihrem Votum zum Ausdruck bringen.
10) Es freut mich, constatiren zu können, dass die Auffassung des Textes
und der vorstehenden Anmerkung, welche bereits vor mehr als Jahresfrist
niedergeschrieben worden, mit der in allerneuester Zeit ausgesprochenen An-
sicht einer namhaften Autorität, des zeitigen preussischen Ministers des
Innern, HERRFURTH, durchweg übereinstimmt, wie aus Folgendem hervorgeht:
In der 17. Sitzung des Preuss. Abgeordnetenhauses vom 19. Febr. 1889
— Stenogr. Berichte des Abgeord.-Hauses 1889, S. 466 ff. — beschwerte
sich der Abgeordnete von ÜZAruınskı darüber, dass der Regierungspräsident
in Marienwerder als Vorsitzender des Bezirksausschusses in einem
bestimmten Falle die Kolportage von polnischen Gebetbüchern verboten
habe und ersuchte den Minister des Innern, dieserhalb sofort Remedur zu
schaffen.