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Pflicht. Das Mittel hierzu bietet die Betrachtung der Einschränkungen des
obersten Rechtssatzes rücksichtlich der Subjekte und der Objekte des Völker-
verkehrs durch den Völkerrechtsakt der Neutralisation. Aus den rechts-
historischen und dogmatisch tiefgehenden Ausführungen RerricH’s lässt sich
mit Sicherheit erkennen, dass wir es in den historischen Formen der Neu-
tralisirungen mit regelmässig gegliederten Rechtsinstituten zu thun haben,
dass hier also neue Rechtsgedanken in unser juristisches Denken hineingetragen
worden sind. Wir sehen auf diesem durchaus der täglichen Staatenpraxis
und ihren Bedürfnissen angehörigen Plane das Völkerrecht thatsächlich zu
dem geworden, was es dem freien Willen seiner Subjekte nach recht eigent-
lich sein soll: die Norm für den gesitteten Staat, die obersten Erhaltungs-
bedingungen der Gemeinschaft auch in den Tagen staatlicher Noth nicht den
Regungen ungezügelter Selbstsucht zu opfern. Der Verfasser zeigt uns an
der Hand eines reichen mit Verständniss ausgewählten und mit Sachkennt-
niss verarbeiteten Quellenmaterials, welche praktisch hervorragende Funktion
den entwickelten Gedankenreihen zukommt, und wie weit der rechtliche
Schutz des Individuums und seiner obersten Rechtsgüter zu den in den
Grundzügen gelösten innerhalb der Aufgaben zählt, welche der Völkerrechts-
lehre gestellt waren.
Dass Rertich’s Buch auch in manchen Nebenpunkten auf Widerspruch
stossen wird und solchen verdient, thut seinem wissenschaftlichen Werthe
keinen Abbruch. Jedenfalls liegen die Irrthümer nicht auf der Oberfläche
und lassen sich daher nicht an dieser Stelle scharf umschreiben und be-
grenzen; es wird Aufgabe der fachlichen Literatur sein, zu denselben in
Kampf oder in Zustimmung Stellung zu nehmen. Bis dahin übernimmt es
jeder Leser selbst, die Correctur derjenigen Thesen vorzunehmen, in welchen
der Verfasser einseitig zu Werke geht; jener wird aber dabei zugleich ge-
nöthigt, alle vom Verfasser mit Gründlichkeit aufgerollten, ernsten Probleme
selbst wieder einmal durchzudenken und so der Grösse des staatlichen Lebens
und der heiligen Wahrheit in’s Antlitz zu schauen. Wer uns dazu nöthigt,
der arbeitet gut. nn Stoerk.
Ernst Neukamp, Amtsrichter in Bochum, Die Staats- und Selbstver-
waltung der Rheinprovinz. Essen, Bädeker, 1888. S. X u. 235.
Der von demselben Verfasser vor Kurzem ausgegebene Wegweiser zur
Einführung in die neuen Verwaltungsgesetze Westfalens hat der Praxis
in den schwierigen Tagen des Uebergangs zu einem neuen, ziemlich kom-
pliecirten Verwaltungssystem dort gute Dienste geleistet; dies bestimmte den
Verfasser zu einer gleichen Arbeit descriptiver und zugleich systematischer
Natur zum Zwecke der Einführung von Behörden, Studierenden und Privaten
in die vielfach verschlungenen Bahnen des auf neue Grundlagen gestellten
Verwaltungsrechts der Rheinprovinz. Mit unverkennbarem systematischen
Geschick legt NEUKAMP den Stoff in einer leicht übersehbaren Ordnung zu-