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licher, aus kurzsichtigem Egoismus entsprungener Hemmungen des Handels
und an der Ausgestaltung eines dem Weltverkehre und der Industrie aller
Nationen vortheilhaften Rechtes der Binnenschifffahrt zukömmt. Es ist ver-
zeihlich, wenn er hiebei vielleicht den einen oder den anderen Schritt fran-
zösischer Regierungen, wie z. B. die Declaration La Bourdonnaye’s vom
20. November 1792 hinsichtlich der Scheldesperre, in einem höheren Maasse
auf ideale Motive zurückführt, als dies etwa einer von der Stimme des Ge-
müthes völlig unbeeinflussten Würdigung der Thatsachen entspricht. Nur
Einem Manne, auf welchen gerade wir Deutsche mit besonderer Hochachtung
und mit berechtigtem Stolze zurückzublicken gewohnt sind, WILHELM v. Hum-
BOLDT wird ENGELHARDT nicht vollkommen gerecht. Ist es auch unbestreit-
bar, dass in manchen Beziehungen Darıser@’s Entwurf einer fortgeschritteneren
Auffassung der Fragen der internationalen Binnenschifffahrt entsprach als
der HumboLpr’s, so gebührö doch HumsoLpr das auch von ÜARATHEODORY
im Handbuch des Völkerrechtes II, S. 298 anerkannte Verdienst, durch das
von ihm angeregte und nach vielen Kämpfen durchgesetzte Compromiss die
mannigfachen partikularistischen Schwierigkeiten überwunden zu haben, deren
auch ENGELHARDT, S. 66 ff. gedenkt, und dadurch vielleicht thatsächlich mehr
errreicht zu haben als durch ein von idealen Anschauungen getragenes
Projekt, für welches das Zeitalter noch nicht reif war.
Wien, im Juli 1889. Lammasch.
Eger 6., Handbuch des preussischen Eisenbahnrechts, I. Band.
Breslau, Kern’s Verlag. VIII u. 572 S.
Ich habe über die ersten zwei Lieferungen im Archiv I, S. 725—728
berichtet. Nunmehr liegen 6 Lieferungen vor, die in einem ersten Bande
vereinigt wurden. Das ganze Werk soll in einem zweiten Bande nächstes
Jahr zum Abschluss gebracht werden, während nach dem ersten 1886 er-
schienenen Hefte „etwa 7 Lieferungen“ in Aussicht genommen waren. Ich
hatte auf Grund der zwei ersten Hefte geglaubt vorhersagen zu dürfen, dass
EGER den ganzen feinen Stoff des Eisenbahnrechts theoretisch fortentwickeln
werde (8. 726). Ich habe freilich schon damals in zarter, aber wie ich hoffte
doch verständlicher Weise angedeutet, dass der Verfasser die Essenz der
juristischen Fragen zur vollen Geltung bringen und sich nicht in alle mög-
lichen Details verlieren dürfe.
Nach Prüfung des ersten Bandes in seiner Gesammtheit kann ich die
günstige Prognose, die ich der Arbeit stellte, nicht mehr festhalten. Das
Werk befriedigt wissenschaftliche Ansprüche durchaus nicht, auch wenn
man dabei einen bescheidenen Massstab anlegt. Es fehlt dem Verfasser an einer
scharfen und genauen Erfassung der dogmatischen Fragen des Eisenbahn-
rechts. EgER ist überhaupt ein blosser Eisenbahnrechtsarchivar oder -Regi-
strator, aber kein Eisenbahnrechtsdogmatiker. Er mag fortfahren, die eisen-
bahnrechtlichen Entscheidungen deutscher und Österreichischer Gerichtshöfe