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mungen oder generelle rechtliche Grundsätze dieser Prüfung
Schranken setzen. Dass jedenfalls die Erfordernisse der Publi-
kation der richterlichen Prüfung unterliegen, wurde niemals
bezweifelt. Ferner wird jetzt wohl allseitig zugegeben !°5), dass
der Richter, in Ermangelung entgegenstehender ausdrücklicher
Bestimmungen, die materielle Rechtsgültigkeit (Gesetzmässig-
keit) von Verordnungen unbeschränkt zu prüfen hat!®). Der
Frage, ob auch die formelle Rechtsgültigkeit von (gehörig pu-
blicirten) Verordnungen Gegenstand richterlicher Prüfung ist,
kommt für die Theorie des constitutionellen Staatsrechts eine ver-
hältnissmässig untergeordnete Bedeutung zu !”); überwiegend wird
dieselbe bejaht, und auch JELLINEK (8. 394 Anm. 43 u. S. 409)
hat sich, wenngleich mit ungenügender Begründung !#°), dieser
Ansicht angeschlossen. Die Frage, ob ein Gesetz materiell
rechtsgültig ist, kann, sofern man die Zulässigkeit indirekter
Verfassungsänderungen anerkennt !®), nur für den Fall aufge-
165) Früher wurde die Befugniss des Richters, die Gesetzmässigkeit des
Inhalts landesherrlicher Verordnungen zu prüfen, in der juristischen
Literatur vielfach verneint (entschieden gegen dieselbe erklärten sich insbes.
v. Linpe, STauL, ZöprL). Ob v. MarTITZz seine Ansicht, dass in der vor-
liegenden Frage, sowie überhaupt hinsichtlich der Pflicht der Behörden, ver-
fassungswidrige Gesetze und Verordnungen anzuwenden, kein genereller Grund-
satz aufzustellen sei, sondern nur das positive Staatsrecht des einzelnen
Staates entscheide (Betrachtungen über die Verf. des nordd, Bundes, $S. 132 ff.),
jetzt noch aufrecht erhält, ist mir nicht bekannt.
186) Diesen Satz erkennt auch LABann (Staatsrecht, 1. Aufl. II, S. 87 ff.;
2. Aufl., I, S. 609 ff.) im vollsten Masse an.
167) Immerhin hat diese Frage neuerdings, insbes. in Preussen, dadurch
eine erhebliche praktische Tragweite erlangt, dass für den Erlass von Polizei-
verordnungen in weitem Umfange eine Mitwirkung von Selbstverwaltungs-
organen erforderlich ist (Rosm, Polizeiverordnungsrecht, S. 149 ff. u. S. 190).
168) JELLINEK beruft sich darauf, dass die formelle Gesetzlichkeit stets
Voraussetzung der materiellen Gesetzlichkeit ist. Aber diese Voraussetzung
kann vor der Prüfung der materiellen Gesetzlichkeit auch in anderer Weise
als durch den Richter festgestellt sein.
189), Nur unter dieser — m. E. trotz starker politischer Bedenklichkeit
juristisch nicht abzuweisenden — Voraussetzung, sowie der weiterhin im
Text hervorgehobenen der sachlichen Competenz des Gesetzgebers ist die