Full text: Archiv für öffentliches Recht.Vierter Band. (4)

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vidualistische Anschauung, welche noch neuestens wieder vor 
allem LABAND vertritt, der organisch-sozialrechtlichen entgegen, 
deren thätigster Vorkämpfer unter den Auspicien BESELER’s GIERKE 
ist. Dieser Kampf zwischen der organischen und der individua- 
listischen Betrachtung der Staatspersönlichkeit berührt nun aber 
den innersten Gedankenkern der Staatsrechtswissenschaft über- 
haupt. Eine jede Konstruktion staatsrechtlicher Grundbegriffe 
muss nothwendig zu dieser Frage Stellung nehmen. Eine Unter- 
suchung über die Gestaltung der organischen und der Persön- 
lichkeits-Theorie, sowie über ihre neuesten Ausläufer dürfte dess- 
halb trotz der bedeutenden Litteratur über diese Frage wohl am 
Platze sein. 
Man hat versucht, den Keim der organischen Staatstheorie 
in das Alterthum zu verlegen, ihren Anfangspunkt in der Lehre 
des Aristoteles von dem Vorhandensein des Ganzen vor den 
Theilen zu erblicken ?). Das ist irrig. Gerade in Bezug auf 
den Staat ist diese Lehre unanwendbar;; denn von einer Existenz 
des Staates vor seinen Theilen und speciell vor seinen ein- 
fachsten Theilen, den Individuen, kann vernünftiger Weise keine 
Rede sein. Ein Staat ohne Menschen ist eine unvollziehbare 
Vorstellung, welche auch gerade mit der richtig verstandenen 
organischen Anschauung in schärfstem Widerspruche steht. /Viel- 
mehr ist die organische Staatstheorie eine wesentlich moderne 
und auch nur als solche zu verstehen. Denn ihre Bedeutung 
liegt in ihrem Gegensatze gegen die absolute oder theokratische 
Staatsidee auf der einen, gegen die naturrechtliche oder Vertrags- 
theorie auf der andern Seite. Den Ausgangspunkt dieser orga- 
nischen Theorie bildet die Philosophie SCHELLING’s 3). . Er sah 
 — nm 
?®) A. Tan. v. KRrIEKEN, „Ueber die sogenannte organische Staatstheorie. 
Ein Beitrag zur Geschichte des Staatsbegriffs.“ Leipzig 1873. S. 20. 
®) Sie ist nicht — wie v. KrIEKEN a. a. O. S, 65 annimmt — zuerst 
von Fichte bestimmt ausgesprochen worden. Vielmehr stand dieser noch 
auf dem Boden des Naturrechts und der Vertragstheorie; vgl. BLUNTSCHLI,
	        
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