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gangen, weil der Nachweis auch nur eines einzigen Falles, wo der
Begriff fehlt, genügt, um die Unrichtigkeit der Behauptung dar-
zuthun, die Sanction gehöre begriffllich zu jeder Gesetzgebung,
also auch zu der des Deutschen Reiches.
Jetzt ist der Weg gebahnt für die Aufstellung des Satzes:
Die Sanction ist unserer Reichsverfassung fremd.
Die herrschende Lehre ist eine andere. Nach ihr steht die
Sanction der Reichsgesetze dem Bundesrath zu.
Um unsere Position wirksam vertheidigen zu können, gilt es
zunächst, die der Gegner dadurch zu erschüttern, dass man den
Nachweis der Unstichhaltigkeit ihrer Gründe erbringt.
Man führt zunächst den Art. 7, Ziffer 1 in das Treffen,
wonach der Bundesrath beschliesst „über die dem Reichstag
zu machenden Vorlagen und die von demselben gefassten Be-
schlüsse“. Dieser Beschluss enthalte die Sanction des Gesetz-
entwurfes.
Ich halte diese Art der Beweisführung für eine höchst ge-
fährliche. Ich glaube zunächst, dass der Gesetzgeber bei diesen
Worten an jene Fälle gedacht hat, wo der Reichstag die Initia-
tive ergriffen oder von seinem Amendirungsrecht Gebrauch ge-
macht hat. Es ist gar nicht nothwendig, dass es sich um gesetz-
geberische Arbeiten handelt; man denke auch an Beschwerden,
Interpellationen, Bitten. Ich gebe zu, dass auch dann, wenn der
Reichstag eine Bundesrathsvorlage unverändert angenommen hat,
dieselbe noch einer ferneren Beschlussnahme des Bundesraths
unterliegt. Immerhin mag dahingestellt bleiben, ob die Ziffer 1
des Art. 7 den zuletzt erwähnten Fall mit umfasst. Ich bestreite
aber, dass in den diesbezüglichen Beschlüssen des Bundesraths
eine sanctio legis liege. Es würde eine unverantwortlich leicht-
sinnige und oberflächliche Redaction sein, wenn ein so wichtiger
staatsrechtlicher Begriff mit so schwerwiegenden Üonsequenzen in
die Worte des Art. 7 gekleidet wäre. Da nun dieser Leichtsinn
dem Reichsgesetzgeber nicht zugemuthet werden kann, ist die