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Die eminente juristische Wichtigkeit der eventuellen Sanction,
welche LABAND betont, wird geleugnet. Denn ein richtiges Ver- -
ständniss von dem Verfassungsbau des Reiches zu gewinnen, ge-
lingt hoffentlich auch ohnehin, wenn man sich nur getreu an die
Grundlage desselben, an die Verfassungsurkunde hält. Und die
Wichtigkeit für die Erkenntniss des Gesetzgebungsvorganges wird
um desswillen nicht anerkannt, weil die Sanction, als eigenes
Stadium der Gesetzgebung, nicht ein nothwendiges, sondern, wo
sie vorkommt, nur ein historisches Moment ist.
Ich schliesse endlich diese Gedankenreihe mit folgenden
Worten LABAND’s, von denen der Leser urtheilen möge, ob sie
für die Ansicht ihres Autors oder gegen dieselbe sprechen: „Bei
der überwiegend durch politische Gesichtspunkte beherrschten
Behandlung des Staatsrechts ist es daher nicht zu verwundern,
dass man die Sanction mit der Zustimmung zum Inhalt völlig zu-
sammenwirft und nur der letzteren unter den Erfordernissen des
Gesetzes Beachtung schenkt, und dass auch die Reichsverfassung
selbst die Sanction der Reichsgesetze gar nicht erwähnt“.
Die Summe ist diese: Nach meiner festen Ueberzeugung kennt
unsere Reichsverfassung weder die Sanction, noch ein Organ für
dieselbe. Damit fällt die oben unter I. angedeutete Schluss-
folgerung hin: Die Ausfertigung ist nothwendige Folge der
Sanction, also ist der Kaiser zu jener verpflichtet. —
Es scheint also, als wenn ich, im Begriff, die Verpflichtung
des Kaisers zu beweisen, mich einer wichtigen Stütze beraube,
indem ich die Wahrheit jenes Satzes umzustürzen bestrebt bin.
Allein es war nothwendig, den Begriff der Sanction zunächst aus
unserem Reichsstaatsrecht hinauszuschaffen, um die einfache Con-
struction, welche demselben zu Grunde liegt, darlegen zu können;
und diese wird — also auch ohne Sanction — die Ausfertigung und
Verkündigung des Kaisers als kaiserliche Pflicht erscheinen lassen.
Meine Ansicht von dem Gang der Reichsgesetzgebung_ ist
die folgende:
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