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schränkt, dass sie ihn hier als selbständiges, freies Reichsorgan,
dort als Delegirten der verbündeten Regierungen erscheinen lässt.
Dass bei dem jetzigen Wortlaut unserer Verfassungsurkunde
die Construction der kaiserlichen Gewalt als einer begrifflich
durchaus einheitlichen so viel bedeute, wie die Lösung der Quadra-
tur des Cirkels, ist meine feste Ueberzeugung.
So kommen wir zu dem Resultat, dass es falsch ist, wenn
gelehrt wird: Der Kaiser ist selbständiges, freies Reichsorgan,
also hat er auch das Veto: denn der Vordersatz ist zu weit; wie
es ebenso falsch ist, umgekehrt zu behaupten: Der Kaiser ist nur
Organ der verbündeten Regierungen, also hat er das Veto nicht:
denn der Vordersatz ist zu eng. Mit diesen principiellen For-
mulirungen ist nichts genützt. Weit richtiger ist es, die Ver-
schiedenheit der kaiserlichen Stellung anzuerkennen.
Von diesem Standpunkte aus, der auf eine einheitliche Con-
struction der kaiserlichen Gewalt verzichtet, wird die Frage
gestellt: Welche Stellung nimmt der Kaiser denn zur Gesetz-
gebung des Reichs ein? Nach den obigen, die Verfassungs-
urkunde zur Grundlage nehmenden Ausführungen kann die Ant-
wort nicht zweifelhaft sein. Der Kaiser als gesetzgebender Factor
ist Delegirter der Verbündeten, ist princeps inter pares, ist das-
jenige Organ, welches man im Verfassungsbau nothwendig braucht,
um den Reichswillen zu repräsentiren. Weitere Bedeutung kommt
ihm, von dem Inhalt des folgenden Paragraphen abgesehen, nicht
zu. Daraus folgt seine Verpflichtung zur Ausfertigung und
Publication.
An dieser Stelle möge noch Art. 16 herangezogen werden.
Nach ihm ist der Kaiser verpflichtet, eine Vorlage an den Reichs-
tag nach Massgabe der Beschlüsse des Bundesraths zu bringen,
ohne diese Einbringung auch nur verzögern, ohne diese Vorlage
auch nur verändern zu dürfen. Auch dieser Artikel spricht dafür,
dass der Kaiser auf dem Gebiet der Gesetzgebung ein ver-
mittelndes, repräsentatives Organ ist.