Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfter Band. (5)

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sie nicht für den Krieg, der bedeutsamsten und eigenthümlichsten 
Erscheinung des Völkerverkehrs, eine scharf und bestimmt präci- 
sirte Stellung in ihrem Systeme gewonnen. Die Neutralisation 
steht aber im engsten, unauflöslichen Zusammenhang mit dem 
Kriegsbegriff; ihr Inhalt steht und fällt mit dem Inhalte dieses 
Begriffes. Die Theorie des Völkerrechts, wo sie Anspruch auf 
System und Consequenz erhob, hat bisher den Krieg lediglich als 
das der Völkerrechtssphäre eigenthümliche, ihn von der Privat- 
rechtssphäre unterscheidende äusserste Rechts- und Processmittel 
zur Wiederherstellung des gestörten Rechtszustandes zwischen 
den Staaten aufgefasst (vgl. v. BULMERINCQ, „Das Völkerrecht 
oder das internationale Recht“ in H. MARQUARDSEN’s Handbuch 
des öffentlichen Rechts). Wenn wir nun mit Zuhilfenahme dieses 
Begriffes die Neutralisation als Rechtsact interpretiren, so be- 
kommen wir ein geradezu verblüffendes Resultat: Die Neutrali- 
sation wäre dann nichts anderes, als die gegenseitige Verzicht- 
leistung des neutralisirten und der neutralisirenden Staaten auf 
das einzige Rechtsmittel im Staatenverkehr, auf den Krieg, d. h. 
es wäre bei der Unvollkommenheit aller irdischen Dinge und Ver- 
hältnisse nichts anderes, als die Proclamation der Willkür und 
Anarchie im Verkehre des neutralisirten mit den neutralisirenden 
Staaten und umgekehrt. HıLrTy muss ganz dieselbe Consequenz 
zugeben, wenn er für die neutralisirte Schweiz das Ausnahmsrecht 
in Anspruch nimmt, dass sie mit allen erlaubten völkerrechtlichen 
Zwangsmitteln zu ihren völkerrechtlichen Pflichten angehalten 
werden könne, ausser dem Kriege. Man braucht sich, wie schon 
oben bemerkt, nur zu fragen: Was dann, wenn diese Zwangs- 
mittel nicht ausreichen? 
Es liegt nun auf der Hand, dass es unmöglich in der Ab- 
sicht des vom ernstesten Rechts- und Ordnungsgefühle beseelten 
Wiener Congresses oder irgend welcher Staatsmänner, die jemals 
eine Neutralisation vereinbart, gelegen sein konnte, einer derartigen 
Eventualität die Thore zu öffnen und sie vertragsmässig zu
	        
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