— 12 —
sanctioniren. Diesen Männern schwebte eben ein anderer Krieg
vor, als der, welcher für die moderne Theorie allein zu existiren
scheint: Ihnen war der Krieg, vor welchem sie den neutralisirten
Staat sicherstellen wollten, nicht ein Rechtsmittel.
Ich habe über die Natur und Function des Krieges im
Völkerverkehre kürzlich eine grössere Schrift veröffentlicht (Zur
Theorie und Geschichte des Rechts zum Kriege. Völkerrechtliche
Untersuchungen. Stuttgart. Verlag von W. Kohlhammer 1888).
In dieser Arbeit bin ich auf dem Wege historischer Untersuchung
zu dem für das Völkerrecht allerdings betrüblichen Resultate ge-
langt, dass der Krieg keineswegs als Rechtsmittel zur Wiederher-
stellung des gestörten Rechtszustandes zwischen den Staaten wirken
konnte, und zwar aus dem Grunde nicht, weil das zu solcher
Function nothwendiger Weise vorauszusetzende materielle Recht
bislang nicht vorhanden war. Ist dies aber zutreffend, und ich glaube
den Beweis dafür geführt zu haben, dann sinkt der Krieg von
selbst aus der Kategorie der Völker-Rechtsmittel in die niedrigere
der Völker-Verkehrsmitte. Und damit öffnet sich auch für die
wissenschaftliche Erfassung der Neutralisation eine ganz neue
Perspective, die wenigstens nicht mit unmöglichen Consequenzen
abschliesst.
Ist nämlich der Krieg nichts weiter als eine besondere Art
und Weise, als eine besondere Form, in welcher die Personen
des Völkerrechts, also die Staaten, die Beschaffung ihrer, ihnen
als solchen Staatspersonen eigenthümlichen Bedürfnisse verwirk-
lichen, dann offenbart sich die Neutralisation als eine dem kriegeri-
schen Verkehre der Staaten auferlegte Schranke, durch welche
gewisse Subjecte der internationalen Staatengemeinschaft — die
neutralisirten Staaten — kraft gemeinsamen Uebereinkommens
für rechtlich unfähig erklärt werden, kriegerische Verkehrsacte
rechtswirksam zu vollziehen, so dass während der Dauer dieses
Rechtes zwischen den einzelnen Gliedern der Staatengemeinschaft
und dem neutralisirten Staate nur ein friedlicher Verkehr recht-