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1) des zu neutralisirenden Staates auf jeglichen, nur durch
einen Krieg mit den übrigen Gliedern der Rechtsgemeinschaft?)
zu erreichenden Vortheil,
2) dieser übrigen Staaten auf jeglichen, nur durch einen
Krieg mit dem neutralisirten zu erreichenden Vortheil.
Hiermit ist die Integrität des neutralisirten Staates juristisch
gesichert. Diese ist aber nicht der alleinige Zweck der Neutra-
lisation; der Schwerpunkt des internationalen Interesses liegt nur
mittelbar in dieser Unverletzlichkeit. Durch dieselbe soll vielmehr
auch die rechtliche Unmöglichkeit herbeigeführt werden, dass einem
der übrigen Staaten durch die eroberten Machtmittel (Land und
Leute) des zu neutralisirenden eine dauernde Verstärkung und
damit eine vergrösserte Gefahr für die anderen erwachse. Mit
Rücksicht hierauf hat die Politik das Rechtsverhältniss so ge-
staltet, dass sie zu dem Rechte der Unverletzlichkeit noch die
Pflicht der Unterlassung jeglicher kriegerischen, etwa nicht den
eigenen Vortheil, sondern bloss die Unterstützung eines anderen
Staates bezweckenden Activität?), d. h. dass sie die Auflage
ständiger Neutralität, vollkommen thatenloser Theilnahmslosigkeit
an den Kriegen anderer, hinzufügte.
der „Erklärung betreffend die Neutralität der in dem conventionellen Kongo-
becken inbegriffenen Gebiete“ (Art. 11 der Berliner Kongoconferenzacte 1885)
heisst es: „Die kriegführenden Theile würden von dem Zeitpunkte an darauf
Verzicht zu leisten haben, ihre Feindseligkeiten auf die also neutrali-
sirten Gebiete zu erstrecken, oder dieselben als Basis für kriegerische Opera-
tionen zu benützen“.
®) Vgl. Note 1. Gerathen aber die Glieder der Rechtsgemeinschaft
unter sich selbst in Krieg, und erwächst aus dem folgenden Friedensschlusse
dem neutralisirten Staate irgend ein Zuwachs, der ihm von den Mächten
angeboten wird, so ist eine aus dem Neutralisations-Verhältnissen sich er-
gebende Verpflichtung, diesen Zuwachs zu refusiren, ebensowenig ersichtlich,
wie eine solche der Mächte, ein derartiges Angebot zu unterlassen.
*) Die Absicht einer solchen Unterstützung wäre allerdings nur bei
ganz eigenthümlicher politischer Constellation denkbar und würde jedenfalls
eine hochgradig gestörte Urtheilstähigkeit des neutralisirten Staates über die
Bedingungen seines Heils voraussetzen.