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Während der Krieg im historischen Sinne nichts anderes ist, als
ein gewaltsamer Wettkampf zwischen Staaten um ein gemeinsames,
nur durch ihn zu erlangendes oder zu erhaltendes Streitobject,
würde das gewaltsame Vorgehen gegen jenen pflichtsäumigen Staat
lediglich die Verwirklichung des in jenen Pflichten gegebenen
materiellen Völkerrechts bezwecken und mit dessen Wiederher-
stellung sein Ende finden. Der betreffende Staat würde dabei
weder eine Minderung seines Gebietes, noch irgend eine Einwir-
kung auf sein nationales mit der Ausübung jener Pflichten nicht
im Zusammenhang stehendes Rechtsleben gewärtigen müssen —
er würde also weder in seinen völkerrechtlichen Rechten im all-
gemeinen, noch in jenen besonderen, aus dem Verhältnisse der
Neutralisation entspringenden irgendwie beeinträchtigt werden, und
es wäre darum auch für die Garanten seiner Neutralität weder
Pflicht noch Recht zu einer Intervention gegeben — es war im
Gegentheil gerade diese Gewalt ihr Recht und ihre Pflicht.
Es ist ja klar, und ich habe das bereits betont, dass diese
Ausführungen wesentlich nur theoretische Bedeutung haben können.
Die gegenwärtig neutralisirten Staaten stehen auf derselben Höhe
der Oultur und Gesittung wie die anderen Staaten und theilen
darum mit ihnen die Stärke des internationalen Pflichtgefühls.
Irgendwelche, durch hier nicht zu erörternde Gründe bedingte
Störungen in der Bethätigung dieses Pflichtgefühls könnten nur
vorübergehender Natur sein und dürften stets auf geeignete Recla-
mation hin Abstellung erfahren. In dieser Beziehung — um von
dem allgemeinen Satz auf einen speciellen Fall zu kommen hebt
ja auch Hır,ry mit besonderem Nachdruck hervor, dass die Schweiz
sich weder weigern dürfe noch solle, neben den besonderen Pflich-
ten, die ihr ihre Neutralitätsacte ausdrücklich auferlegt, auch noch
alle und jede von dem geltenden europäischen Völkerrecht aufge-
stellten Verbindlichkeiten souveräner Staaten, pünktlich zu er-
füllen, speciell auch die einer geordneten Frremdenpolizei.
In gleicher Uebereinstimmung befinden wir uns mit dem Ver-