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herrührenden Begründungen ihrer Entwürfe geboten, und andererseits in den
734 Protokollen über die Sitzungen der Entwurfscommission zu finden,
so spricht in den als „amtliche Ausgabe“ veröffentlichten Motiven zum Ent-
wurf des bürgerlichen Gesetzbuches doch weder die Commission als solche,
noch das für den einzelnen Haupttbeil in erster Linie verantwortliche wirk-
liche Commissionsmitglied, sondern der Hülfsarbeiter des einzelnen Re-
dactors; und dieses selbständige Auftreten des Gehülfen neben dem Redactor
hat nicht nur eine häufige Disharmonie zwischen dem Entwurfe und den
Motiven hervorgerufen, sondern trägt auch die Schuld davon, dass die amt-
lichen Motive dem Studium des Entwurfes geradezu Räthsel aufgeben. Nicht
nur BEKKER’s Schärfe (Heft 2), sondern auch MeıscHEiDer’s (Heft 3), FıscHEr's
(Heft 6), SEuFFERT's (Heft 11) Beiträge sehen sich vielfach zu derselben
Klage gezwungen und begründen den erhobenen Vorwurf in überzeugender
Weise.
War es auch nicht zu erwarten, dass der Bundesrath die von ihm
beschlossene Veröffentlichung der Motive noch besonders rechtfertige, so
vermisst man doch ungern eine Begründung dieses Vorschlages von Seiten
der Vorcommission oder der Entwurfscommission. Die dem Entwurfe bei-
gegebenen Motive führen den Entwurf selbst gewissermassen als einen Fremd-
ling bei uns ein, dessen Sprache das deutsche Volk ohne das Auftreten eines
vermittelnden Dolmetschers nicht zu verstehen vermag; — ganz abgesehen
davon, dass es in der That eine starke Zumuthung an die aufgerufene Kritik
ist, sich nicht nur durch die 516 Seiten des Entwurfes, sondern daneben
noch durch die 4144 Seiten der Motive hindurch zu arbeiten. Und die
Kritik hat bei dieser Sachlage nicht bloss mit einem Gegner (dem Ent-
wurfe), sondern mit zweien (Entwurf und Motiven) zu kämpfen; ein Umstand,
welcher das von der Beurtheilung des Entwurfes zusammengeschriebene
Material nicht nur in ungebührlicher und die weitere Bearbeitung des Ent-
wurfes gefährender Weise anschwellen lies; sondern auch die Gefahr in sich
birgt, dass das Vorbringen der Kritik nicht überall genügende Berücksich-
tigung finden werde. Auch das vorliegende Werk zeigt demgemäss fast in
allen Heften nicht bloss eine Beurtheilung des Entwurfes selbst, sondern das
sich immer wiederholende Heranziehen der Motive und den Kampf mit den
letzteren.
Mag man aber die Veröffentlichung der Motive auch noch so sehr
beklagen, — ungeschehen lässt sich die Thatsache der Bekanntgebung nicht
wieder machen, und es ist nur dahin zu streben, den begangenen Fehler
nach Möglichkeit wieder gut zu machen.
Zum Glücke hat der Bundesrath — obwohl er am 22. Juni 1874 im
Allgemeinen die Vorschläge der Vorcommission billigte und damit anzu-
deuten schien, dass die Entwurfscommission auch für die zweite Lesung des
Entwurfes fortbestehen solle — in dem Beschlusse vom 31. Januar 1888 sich
die Bestimmung über die zweite Lesung noch vorbehalten; und da im