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Laufe der Zeit auch der Tod mehrfach in den Bestand der Entwurfscom-
mission hineingegriffen hat, so wird die Erwägung geboten sein, ob statt des
verbliebenen Rumpfes nicht lieber eine ganz neue Commission zu berufen
sein dürfte. Der Bundesrath wolle hierbei insbesondere erwägen, dass er
durch seine Aufforderung vom 31. Januar 1888 gewissermassen einen Rechts-
streit zwischen der Commission und dem deutschen Volke wachgerufen hat;
und dass bei diesem Zweikampfe der Angegriffene unmöglich darüber ent-
scheiden kann, ob er überwunden sei, ob nicht? Die Elfer-Commission hat,
wie BEKKER (Heft 2, S. 74) zutreffend bemerkt, ihr Bestes gegeben, darum
ein wirkliches Mehr von ihr nicht zu verlangen ist.
Aber, so dringend das deutsche Volk auch die Einheit des bürger-
lichen Rechtes in den durch den Entwurf gebotenen bescheidenen Grenzen
ersehnen mag, so sehr verdient Fıscher’s Warnung (Heft 6 $ 12) beherzigt
zu werden: dass der vorliegende Entwurf erst die Grundlage des neuen
Gesetzes bildet, dass aber noch eine gründliche, ungestörte und nicht über-
hastete Durcharbeitung geboten erscheint, bevor er Gesetz werden kann.
Man gewähre also der Kritik eine möglichst lange Einlassungsfrist,
und vergönne insbesondere den zur Rechtspflege in den unteren Instanzen
Berufenen diejenige Zeit, deren sie nothwendig bedürfen, um neben ihrer
amtlichen Thätigkeit die praktische Verwerthbarkeit der Bestimmungen des
Entwurfes prüfen zu können. Dann aber ist es geboten, den durch die Nicht-
bestellung eines Hauptreferenten begangenen Fehler wieder gut zu machen,
um die von der Vorcommission mit Recht geforderte richtige Verbindung
von zusammenfassender Gemeinarbeit und selbständiger Einzelarbeit zu er-
reichen.
Hat bisher die Gesammtarbeit überwogen, so muss nunmehr der Einzel-
arbeit zu ihrem Rechte verholfen werden, denn — wie FiscHEr mit Recht
bemerkt — „mit Majoritätsbeschlüssen lässt sich ein einheitliches Gesetzes-
werk nicht herstellen“. Wir würden desshalb am liebsten nicht erst die
Schlussredaction — wie FiscHer (Heft 6) vorschlägt —, sondern schon die
zweite Lesung Einer Person übertragen, welche nicht nur über den dem
Gesetzentwurfe schliesslich zu gebenden Inhalt, sondern auch über die Form
desselben in ähnlicher Weise zu entscheiden hätte, wie einst der Grosskanzler
v. CARMER zum Segen für den preussischen Staat, bei der Entstehung des
preussischen Landrechtes unter Suarzz’ens Beihülfe zu befinden hatte.
Die zweite Lesung wird geraume Zeit in Anspruch nehmen, um das
von der Kritik gebotene Material zu verarbeiten. Auch das vorliegende
Werk bietet erheblichen Stoff hierzu. Abgesehen von Erinnerungen gegen
Einzelbestimmungen vernehmen wir aus den verschiedenen Heften im Wesent-
lichen folgende Klagen wider den Entwurf.
Dr. Franz v. Liszt (Heft 5) erhebt in geistreicher Weise, und zum
Theil mit gutem Grunde den Tadel, dass das grosse Werk zu wenig schöpfe-
risch mit eigenen Gedanken vorgegangen sei. Soll indessen nicht das ganze