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Wie der Entwurf sich im Grossen und Ganzen auf eine Codificirung
des bisher in Deutschland geltend gewesenen reinen Privatrechtes beschränkt
hat, so berücksichtigt er in seinen Einzelbestimmungen auch den Einfluss des
öffentlichen Rechtes auf die Privatrechtsnormen ungefähr in demselben
Maasse, wie solches aus WmpschHki’s Pandekten — dem Vorbilde des Ent-
wurfes — zu ersehen ist.
Kann man diesen Standpunkt der Commission im Wesentlichen billigen,
so ist damit der Vorwurf nicht ausgeschlossen, dass das öffentliche Interesse
in vielen Detailbestimmungen nicht genügend gewahrt worden. Die bisher
erschienenen Beiträge des Sammelwerkes streifen diese Frage zwar nur hier
und da; allein das Gesammtstudium derselben erleichtert doch auch die Antwort
auf die wohl eines besonderen Heftes werthe Frage, welche öffentlich-rechtlichen
Momente in dem Entwurfe nicht genügend Berücksichtigung gefunden haben?
Nur andeutungsweise mag hier auf einige Punkte hingewiesen werden.
Der Art. 33 des Einführungsgesetzes lässt in Ansehung der Landes-
herren und der Mitglieder der landesherrlichen Familien, sowie der Mit-
glieder der fürstlichen Familie Hohenzollern, die Vorschriften des bürger-
lichen Gesetzbuches nur insoweit Anwendung finden, als nicht besondere
Vorschriften der Hausverfassungen oder der Landesgesetze abweichende Be-
stimmungen enthalten. Gut! — Wenn nun aber der folgende Artikel be-
stimmt: „In Ansehung der Familienverhältnisse und der Güter der ehemals
reichsständischen seit 1806 mittelbar gewordenen Häuser, sowie des ehe-
maligen Reichsadels, bleiben die Vorschriften der Landesgesetze, sowie nach
Massgabe der Landesgesetze die Vorschriften der Hausverfassungen unberührt“,
so fragt man wohl mit Recht, welche Nothwendigkeit die Conservirung dieser
Reminiscenz an das alte Deutsche Reich, dem jungen Deutschen Reiche zur
Pflicht macht; und die in den Motiven gegebene Erklärung: „es liege im
Öffentlichen Interesse, dass diesen Familien die Möglichkeit gewährt werde,
die auf ihrer Ebenbürtigkeit ruhende Standesgenossenschaft mit den regie-
renden Häusern aufrecht zu erhalten“, dürfte schwerlich den Zweifelnden zu
überzeugen geeignet sein.
Ein anderes Beispiel! Der allgemeine Theil des Entwurfes handelt in
den 88 41 bis 43 von den juristischen Personen und hat, wie MERSCHEIDER
(Heft 3) anerkennt, in mehrfacher Hinsicht Schritte gethan, um den Streit
über die Bedeutung oder die Bedeutungslosigkeit des hergebrachten Be-
griffes der sogenannten juristischen Person der Entscheidung näher zu
bringen und ihm in Richtungen Bahnen zu weisen, wo die Wissenschaft ihn
zum Austrag zu bringen suchen mag.
Der Entwurf kennt als juristische Personen nur Personenvereine, sogen.
Körperschaften und Stiftungen. Um der Gefahr zu entgehen, dass man den
Fiscus weder als das Eine noch als das Andere anerkenne, verordnet der
$ 68, dass die landesgesetzlichen Bestimmungen, nach welchen dem Fiscus
juristische Persönlichkeit zusteht, unberührt bleiben.