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Jedes transitorische Gesetz begrenzt zeitlich sein Geltungs-
gebiet; so kann es kommen, dass sich die Anzahl der möglichen
Fälle seiner Anwendung gegen das Ende seiner Geltung hin genau
übersehen lässt. Das in 8 28 des Gesetzes gegen die gemein-
gefährlichen Bestrebungen der Socialdemokratie vom 21. Oc-
tober 1878 enthaltene Gebot:
„Ueber jede auf Grund der vorstehenden Bestimmungen
getroffene Anordnung muss dem Reichstage sofort, beziehungs-
weise bei seinem nächsten Zusammentreten Rechenschaft ge-
geben werden“
enthält zunächst eine abstracte Norm ; sie lässt sich in die Formel
fassen : „es soll so oft“. Und dennoch würde sich, falls der End-
termin des Gesetzes herangekommen wäre, die Zahl der An-
wendungsfälle jener Bestimmung völlig genau berechnen lassen.
Abstracter Norm entsprungen, gleicht die Verpflichtung schliess-
lich doch einer durch Individualgebot auferlegten Rechtspflicht.
Andererseits bemerkt IHERING mit Recht
Der Zweck im Rechte I (2. Aufl. 1884) S. 340,
dass „die Einberufung einer bestimmten Altersclasse zum Zweck der
Aushebung“ ein Individualgebot darstelle. Beschränkend muss ich
freilich hinzufügen: falls nicht der Gestellungsbefehl iediglich zur
Durchführung der durch abstracte Norm ohnehin ausgesprochenen
Militärpflicht ergeht. So ist im Deutschen Reiche die Militär-
pflicht in allen ihren Stadien durch abstracte Norm geordnet:
wohl aber konnte der staatliche Befehl einer lev&ee en masse als
Individualgebot bezeichnet werden.
Vgl. schon loi du 10 Aoüt 1870 art. 2:
„Tous les citoyens non maries ou veufs sans enfants...
sont appel&s sous les drapeaux pendant la dur&e de la guerre
actuelle“
Accıpı, Staatsarchiv 19. Bd., S, 191.
Auch findet sich in dem