Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfter Band. (5)

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zugestanden wird, dass die Aufgabe der Normen das Gebieten 
und Verbieten wenigstens auch mit umfasst — wenn die Gegner 
ferner behaupten, dass eine individuelle Norm niemals eine Rechts- 
setzung enthalte: dann kann folgeweise auch das Individualgebot 
sowie das Individualverbot niemals neues Recht setzen. Gegen 
die Richtigkeit des Mittelgliedes dieser These wendet sich die 
gegenwärtige Ausführung. 
Ein zweiter Anlass entspringt der verhältnissmässigen Selten- 
heit individueller Gebote und Verbote. Im heutigen Rechtsstaate 
herrscht das Bestreben vor, die Staatsgenossen mit ihren persön- 
lichen und sachlichen Gütern nicht allein der „Verwaltung“ gegen- 
über sicher zu stellen, nein auch das Gesetz soll walten ohne 
Ansehen der Person, rein sachlich und unbeeinflusst von indivi- 
duellen Interessen. Einem Jeden soll, wie die Summe seiner 
Rechte, so auch das Mass seiner Lasten möglichst im Voraus 
bestimmt sein. Nur so bietet sich die Garantie, dass das Gesetz 
nicht von Gunst oder Ungunst gegen den Einzelnen getragen 
wird. Ein Gesetz mit Individualbefehl wird daher nur in Aus- 
nahmefällen, sei es als Uebergangsbestimmung, sei es als exceptio- 
nelle Nothmassregel erlassen werden. 
Endlich trägt ein dritter Umstand dazu bei, dass wenigstens 
im Individualgebote die Rechtsregel verkannt wird. Wie jedes 
Gebot, heischt auch dieses Erfüllung; im regelmässigen Verlaufe 
der Dinge wird ihm die Erfüllung auf dem Fusse folgen. Und 
falls dies geschehen, ist mit der Erfüllung auch das Gebot selbst, 
die Rechtssetzung, erloschen. Auch der rechtssetzende Act mit- 
sammt seiner Wirkung, der Rechtssetzung, gehört alsdann der 
Vergangenheit an; der Geschichte anheimgefallen, entwickelt er 
nicht weiter eine das Leben beherrschende Kraft. Dies ist der 
Gedanke, der Inerin@’s lebendiger Schilderung zu Grunde liegt, 
wenn er das Individualgebot als das Recht in Bewegung darstellt, 
welches erst in der abstracten Norm, im Gesetze, zur Ruhe 
komme.
	        
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