Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfter Band. (5)

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IHERING a. a. O. S. 347. 
Allein diese Erscheinung schwindet, wenn wir uns statt eines 
Individualgebotes, welches überhaupt in bestimmter Frist Er- 
füllung fordert und regelmässig auch innerhalb dieser Frist Er- 
füllung findet, ein Individualverbot vergegenwärtigen. Ein solches 
kann zeitlich überaus lang fortwirken. 
Nehmen wir als Beispiel das französische Gesetz vom 22. Juni 
1886, die Ausweisung der Kronprätendenten betreffend. Durch 
dessen erste Bestimmung wird das Gebiet der Republik den 
Häuptern jener Familien, welche in Frankreich regiert haben, 
sowie deren unmittelbaren Erben nach Ordnung der Primogenitur 
für alle Zeit untersagt. 
Dies Beispiel ist um desswillen so lehrreich, weil sich die 
Norm in Wirklichkeit als abstracte Norm auslegen lässt, welcher 
um desswillen auch MeEyvEr die Eigenschaft eines Rechtssatzes 
zusprechen wird. Denn betroffen werden die jeweiligen Häupter 
der Familien Orleans und Bonaparte, sowie deren erst- 
geborenen Söhne. Liesse das Gesetz jedoch die Auslegung zu, 
dass nur die jetzigen Häupter jener Familien und deren ältesten 
Söhne verbannt sein sollten, so wäre die Norm zweifellos eine 
Individualnorm. Sollte es nun wirklich allein von dieser Aus- 
legung abhangen, ob das (Gesetz auch ein Gesetz im materiellen 
Sinne sei, das einen Rechtssatz aufstellt, oder ob es zur Ver- 
fügung, zum blossen Gesetze im formellen Sinne herabsinke, dem 
ein Rechtssatz nicht innewohnt? Sollten doch aus der jetzt 
lebenden Generation bestimmte Personen getroffen werden und 
fühlten sich auch nur bestimmte Personen getroffen: der Graf 
von Paris und dessen Sohn Ludwig Philipp, der Prinz Napoleon 
und dessen ältester Sohn Prinz Victor. Betreffs dieser Personen 
war es ganz gleich, ob das Gesetz sie namentlich nannte oder 
durch Auslegung auf sie zu beschränken war oder als abstracte 
Norm sie und zugleich neben ihnen in weiterer Zukunft vielleicht 
noch andere Personen mitumfasste. In allen Fällen trieb sie ein
	        
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