— 186 —
sich somit auf Familien- und Vermögensrecht beschränkte, so
musste ein solcher Rechtszustand Wasser auf die Mühle des
Absolutismus sein °°).
So naheliegend es sein musste, die Wesenseinheit aller Ver-
bände vom Staat und Bundesstaat herab bis zum letzten Verein
zu erkennen, man wollte dieselbe nicht, weil dies den Postu-
laten des absoluten Staates nicht entsprach, der sich selbst als
incommensurable Grösse setzte und alle Verbände neben sich nur
entweder als blosse Vermögenssubjecte duldete oder aber zu Theilen
seines eigenen Wesens, zu Staatsanstalten, zu staatlichen Behörden
herabdrückte. Es ist klar, warum gerade diese Tendenz in der
ersten Hälfte unseres Jahrhunderts so sehr in den Vordergrund
tritt: es ist die Reaction gegen die naturrechtlichen und revolu-
tionären Ideen, die sich in ihr verkörpert hatten und erst unter
diesem Gesichtspunkte kann man die Einflussnahme Savıcny’s und
seiner Schule auf unsere Lehre voll würdigen; sie basirt nicht
bloss auf der Autorität des römischen Rechtes, sondern sıe fruc-
tificirt dasselbe auch für politische Zwecke. „An der Grenze des
Privatrechtes endigt,“ wie PreEuss°!) sehr richtig bemerkt, „für
diese Anschauung die Sphäre der Persönlichkeit und es beginnt
der Bannkreis eines anderen Uentralbegriffes, der Souverainetät.“
Diese Tendenz der historischen Schule wird noch klarer,
wenn man die literarische Bewegung in’s Auge fasst, zu welcher
sie sich in bewussten Gegensatz gebracht hat. Die Erkenntniss,
dass der Staat eine eigene Persönlichkeit sei, welche mit der des
Monarchen nicht zusammenfalle, ist eine der grossen Errungen-
schaften der naturrechtlichen Schule®?) und wurde von den Ver-
°) Ich verweise hier auf den dritten Band von GIErkeE’s Deutschem Ge-
nossenschaftsrecht und LagannD’s Rede: Die Bedeutung der Reception des
römischen Rechtes für die deutsche Rechtswissenschaft. 1880. — 2!) A.2.0.
S. 148. — ®%) Ueber die mittelalterliche Jurisprudenz hinsichtlich dieses Pro-
blems vgl. die Darstellung GIErRkE's a. a. O. S. 568 ff., insbesondere
S. 605 ff., woselbst dargelegt wird, wie schon die mittelalterlichen Publicisten
die Verwerthung des Persönlichkeitsbegriffes unterliessen, während die Civilisten