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heute oft wiederholten sinnlosen Phrase definiren, sie sei etwas,
„was seinen Grund in sich selbst habe“ oder noch schöner for-
mulirt: „was seinen Grund und seine Ursache in sich selbst
habe“; der Staat ist HEGEL „die einzige volle Person zwischen
Mensch und Menschheit“. SCHELLING und seine Schule zeichnet
sich durch Identificirung der Begriffe Organismus und Persön-
lichkeit aus. Die Autoren dieser Richtung erklären als „Person“
jedes Wesen mit eigenem Bewusstsein und Willen. „Person“ ist
daher für dieselben alles, was „in gemeinsamer Abstammung,
Sprache, Wissenschaft, Kunst, Gottinnigkeit, Sitte und Recht“
verbunden ist*); sie identificiren nicht nur Organismus und Per-
sönlichkeit?®), sondern auch diese beiden Begriffe mit dem des
Staates®”), so zwar, dass für sie auch der einzelne Mensch ein
n Staat“ ist?®), gleichwie jede Gemeinschaft, Gesellschaft, Gemeinde,
dithyrambisch geschriebenen Abriss eines Systemes der Philosophie des Rechtes
1828. S.169. Daher ist nach Krauss auch jede Nationalität eine „Person“,
a. a. OÖ. S. 170. — %) Beiläufig sei hier bemerkt, dass diese Auffassung
nichts weniger als modern, sondern eine bereits dem Mittelalter eigen-
thümliche ist. Das principium unitatis des Weltganzen und das Postulat
einer Verbandseinheit der ganzen Menschheit, die (im Anschlusse an das
Gleichniss in Paulus’ Brief an die Corinther I. 12. 4—28) als „corpus
mysticum“ Christi betrachtet wurde, sind die Grundlagen der patristischen
und scholastischen Philosophie von Augustinus angefangen bis zu Thomas von
Aquino, Dante, Nicol. von Cues u. A.; sie sind auch die Elemente der
„organischen“ Staatslehre. Vgl. GiERKE a. a. O. III. S. 106 ff., 515 fi. —
») Krause a. a. O. S. 125, 169; Amrens, Die organische Staatslehre 1850.
S. 57 ff. und Rechtsphilosophie 1852. S. 177 fl. Ihren Ausgangspunkt
nimmt diese Philosophie vom „absoluten Urselbst, dem Urbewusstsein, dem
Urwillen“ (Anrens a. a. O. S. 139): der „Persönlichkeit“ Gottes. Die Ver-
quickung dieser philosophischen Idee der Persönlichkeit mit dem von ihr
ganz verschiedenen Begriff der Persönlichkeit im Rechtsleben ist eine der
schlimmsten und folgenreichsten Verirrungen der sogen. organischen Staats-
lehre. In den Schriften L. Srem’s kann man dieselbe in technisch vollen-
deter Form und Darstellung zum Ausdrucke gebracht sehen. Die ganze
Richtung lässt sich charakterisiren als das Widerspiel der romanistischen
Fictionstheorie. — °®) Krause a. a. O. S. 125. Eine eigenthümliche Auf-
erstehung hat die Identificirung der Begriffe Staat und juristische Person er-