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von Rechtsnormen“, also ein „Rechtsbegriff“, dessen Feststellung
integrirender Theil der Verfassung des Gemeinwesens bilde.
Hierdurch wird der Begriff des Rechtssubjectes zerrissen. Er
soll ein anderer sein für den Menschen, ein anderer für den Ver-
band. Das begreife wer kann! Ich dächte doch: Rechtssubject
ist Rechtssubject. Die Täuschung, dass die Zwecke des Indivi-
duums eine andere juristische Rolle spielen, als die der Verbände,
entsteht augenscheinlich dadurch, dass immer und immer wieder
eine gewisse Quantität rechtlicher Interessen als eine Art Mini-
malmass für den Begriff der Person a priori vorweggenommen
und stillschweigend die uns heute freilich so geläufig gewordene
Gleichheit aller Menschen auf dem Gebiete des Privatrechtes vor-
ausgesetzt wird. Diese Quantität „Menschenrechte“ ist die unklar
gebliebene Basis des „Gesammtinteresses“, wie Rosın sagt, oder
„des Daseinszweckes“, wie GIERKE sich ausdrückt. „Der Da-
seinszweck“ des Individuums besteht aber, sofern er rechtlich
relevant wird, genau ebenso aus einer bestimmten Masse von
einzelnen Interessen, die die Rechtsordnung, sei es nun en masse
oder successive eines nach dem anderen anerkennt, wie bei den
Verbandswesen. Man denke z. B. an die Geschichte der Ent-
wickelung der Rechtssubjectivität des filius familias; sie zeigt genau
dasselbe schrittweise Anerkennen einzelner Interessensphären hin-
sichtlich der verschiedenen Peculien, wie beispielsweise die stufen-
weise Anerkennung der Vermögensrechtsfähigkeit der juristischen
Personen. Es gibt also keine Einheit dieser Zwecke, keinen „Da-
seinszweck“, welcher von vorne herein für die Rechtssubjectivität
des Individuums massgebend wäre.
Neuestens wurde endlich in einer Polemik gegen BrıE und
Rosın die Einführung des Zweckmomentes von LaBAnD*) be-
kämpft. „Die Aufgabe, die begrifflichen Elemente des Kaufes, des
Darlehens, der Societät u. s.w. zu ermitteln“, sagt LABAND, „ist
'*)) Im Archiv f. öfl. R. II. 1887. S. 317; theilweise wörtlich gleich-
lautend in der 2. Aufl. seines Staatsrechtes I. S. 63,