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porationen oder Anstalten. Gegen statutenwidrige Beschlüsse
des höchsten corporativen Organes kann nur eine dem betreffenden
Vereine oder Gemeinwesen fremde Macht, die staatliche Gewalt,
helfen; von innen heraus gibt es keine Abhilfe. Und im Staate?
Es gibt Staatsverfassungen, die diesem Ideale entsprechen: die
absolute, rein centralistisch organisirte. Aber gerade die moderne
parlamentarische und constitutionelle Verfassung zeichnet sich
sehr zu ihrem Nachtheile von der vorigen dadurch aus, dass sie
für eine Reihe von Willens-Oonflicten zwischen den Organen
einer nach dem Recepte der „separation des pouvoirs“ organisirten
Verfassung eine Einigung nicht kennt und nicht kennen kann,
weil ja eben nach jenem Recepte in der Unabhängigkeit
verschiedener Organe von einander die Grundfeste aller freiheit-
lichen Entwickelung erblickt wird. Und an solchen „Conflicten“
ist in der Geschichte der constitutionell regierten Staaten kein
Mangel!
So ist beispielsweise die im constitutionellen Staate er-
folgte Vertheilung der Gewalt, abstracte Rechtsnormen zu er-
lassen, an verschiedene Organe eine stete Quelle solcher im Rechts-
wege nicht zu lösender Oonflicte. Eine gesetzwidrige Verordnung
des Ministers oder der Krone bleibt bestehen, weil es im Staate
keine Macht über der Krone gibt. Man hat die Gerichte zur
Cognitur über die Gesetzmässigkeit der Verordnungsthätigkeit
berufen; allein die Gerichte und Verwaltungsgerichte können
nichts anderes, als die Anwendung der Verordnung im concreten
Falle ausschliessen. Die Verordnung bleibt bestehen und die Ver-
wirrung ist eben desshalb nur noch grösser, zumal wenn man bedenkt,
dass verschiedene Gerichte über dieselbe Rechtsfrage verschieden
urtheilen können. Man hat auch die Minister für gewisse Fälle
dieser Art haftbar erklärt; nehmen wir an, es liege ein solcher
Fall vor und der Staatsgerichtshof spreche den Minister schuldig.
Der Rechtsbestand der Verordnung wird dadurch dennoch nicht
tangirt. Oder man denke an verfassungswidrige Gesetze oder an