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zu Ende des vorigen und Anfang dieses Jahrhunderts wie KAnT !*°)
und FicHteE!5) in den verschiedenen „Gewalten“ ebensoviele
Personen erblickten, so konnte dem nur eine Unklarheit über
diesen letzteren Begriff zu Grunde liegen, indem man in ihm bald
lediglich den Ausdruck der Willenseinheit, bald den eines Rechts-
subjectes im technischen Sinne erblickte. Letzteres geschah, in-
dem man sich trotz der Vertheilung der Gewalt an drei „Per-
sonen“ den Staat als ein einheitliches Rechtssubject fortdauernd
dachte; aber gleichwohl zog man zugleich nach Bedarf auch aus
der ersteren Auffassung Consequenzen, so beispielsweise, wenn man
las Postulat, dass die Regierungsbehörden die Frage der Gesetz-
widrigkeit ihrer Verfügungen nicht selbst beurtheilen dürfen, da-
mit begründete, dass nicht dieselbe (physische oder mystische) Per-
son Richter und Partei zugleich sein könne 51), ein Gedanken-
gang, der bis in die neueste Zeit allgemein herrschend blieb und
selbst dem scharfsinnigen Werke Biur’s®?) zu Grunde liegt.
Hierbei wird aber ganz übersehen, dass ja das über die Gesetz-
mässigkeit urtheilende Gericht Organ derselben Person ist, wie
die Verwaltungsbehörde. Die naturrechtliche Scheidung der drei
oder mehr Gewalten, welche mechanisch als drei (noch dazu un-
abhängige) Persönlichkeiten neben einander gestellt wurden, ist
daher eine directe Consequenz des Willensdogmas; sie lässt uns
aber völlig im Unklaren darüber, wie denn diese drei Personen
doch wieder eine einzige, den Staat, bilden können; sie wäre ein
2) Metaphys. Anf.-Gr. d. Rechtslehre 2. Aufl. 1798. S. 195: „Ein jeder Staat
enthält drei Gewalten in sich, d. i. den allgemein vereinigten Willen in drei-
facher Person.“ S. 199: „Die drei Gewalten sind einander als so viel
moralische Personen beigeordnet“. — 15°) Naturrecht 1796. S. 191 ff.
Ebenso hatte schon Rousseau den Staat als ätre moral anerkannt, aber neben
und in ihm die Regierung als „nouveau corps intermediaire distinet du
peuple et du souverain“ betrachtet (Contrat social 1791. S. 109), dessen
Repräsentant der Fürst sei ($. 126). — 15!) Fıcmte a. a. O. S. 191. Sie
müsse also, fügt Fichte (S. 192) bei, zu diesem Behufe die Verwaltung der
Öffentlichen Macht veräussern, sie auf eine oder mehrere Personen über-
tragen. — '2) Der Rechtsstaat S. 44, 69. — Vgl. v. Sarwry, Das öff. Recht