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wenig kann man den Gemeinwesen die Fähigkeit zu wollen und
zu handeln absprechen zu Gunsten ihrer Organe.... Man
verschliesst sich jedes Verständniss ... wenn man die Thatsache
abweist, dass es einen vom Willen seiner Organe speci-
fisch verschiedenen Willen des Staates gibt.“ Dieser
von dem Willen seiner Organe „specifisch verschiedene Wille des
Staates“ ergebe sich klar aus seiner Delictsfähigkeit, die mehr
und mehr anerkannt werde. Weil durch die Strafe der Schuldige
mit dem Unschuldigen leide, so folge daraus, „dass der zu Strafende,
also auch der Delinquent, also auch der eigentliche Träger des
Wollens und Handelns das Gemeinwesen selbst als psychische
Einheit, als Person ist.“ Preuss muthet uns also den Wider-
sinn zu, an ein Handeln ohne Handelnden, an ein Wollen ohne
Wollenden zu glauben.
Ich frage aber: Wer fasst jenen vom Willen der staatlichen
Organe verschiedenen Willen des Staates? Wer äussert ihn? Wer
verwirklicht ihn? Doch nur ein Mensch oder eine collective Ein-
heit von Menschen, die verfassungsmässig berufen sind, durch
ihre Willensthätigkeit für das Rechtsgebiet den Willen des Ge-
weinwesens darzustellen !%*). Wie kann ich mir den Staat wollend
denken ohne ein Organ, das will!5)? Wollen oder Handeln
LEONHARD in Grünhut’s Ztschr. X. S. 28 mit Recht den Verwaltungscollegien
juristischer Personen Handlungsfähigkeit, aber keine Rechtsfähigkeit zu.
16) Preuss fällt hier offenbar in jene mittelalterliche Unterscheidung zwischen
dem, was die „universitas per se* und dem, was sie „per alium“ bewirke,
‘ zurück. Allein nach GiErRKE’s Ausführungen lässt sich wohl nicht bezweifeln,
dass die Annahme eines Handelns der universitas „per se“ nur eine unklare
Verquickung der Vielheit als Vielheit mit der Vielheit als Einheit ist; denn
auch die Versammlung der Genossen stellt nicht die universitas dar, sondern
ist ein Organ derselben, wie sich das aus der Nothwendigkeit der ver-
fassungsmässigen Berufung und Abstimmung, aus der Verschiedenheit der
universitas von den eben versammelten Mitgliedern und anderen Momenten
klar ergibt. Was endlich die Haftbarkeit der singuli für Delicte betrifft, so
ist dieselbe in ganz anderer Weise als aus der Fiction eines Handelns und
Verschuldens derselben zu erklären und zu rechtfertigen. — !*) Verhielte