— 22 —
Willen sich geeinigt haben muss, damit ein rechtlich relevanter
Act zu Stande kommt. Auch hier kann man von einer Willens-
organisation nicht sprechen, weil zu jedem Verbandsbeschlusse in
solchen Fällen Einstimmigkeit erforderlich ist. Auch von dieser
Form kennt das römische Recht eine Anzahl wichtiger Gebilde:
das „condominium“ und die Erbengemeinschaft, dann zahlreiche
Fälle einer „communio incidens“, vor Allem aber die römische
societas. Auch das moderne Staatsrecht besitzt solcher Gebilde
eine grosse Zahl: es gehören hierher alle Fälle, in denen zwei
oder mehrere Organe einer Massregel beigestimmt haben müssen,
se dass dieselbe also „im Einvernehmen“ derselben vor sich zu
gehen hat !’%), Erfolgt hier eine Majorisirung, so kann sie nur
durch gemeinsame Bevollmächtigung geschehen 177); es ist aber klar,
dass, wo eine solche überhaupt zulässig ist, das gemeinsam Ge-
wollte auch von jedem Einzelnen gewollt ıst, indem er die Voll-
macht ertheilt.
In älterer Zeit fand man in der societas eine juristische
Person wegen der Einheit des Zweckes, den sich die socii setzen !7?);
allein augenscheinlich war das ein Irrthum; gemeinsam werden hier
nur die Mittel zur Erreichung von Zwecken, welch’ letztere ein-
ander nicht geeinigt, sondern concurrirend gegenüberstehen;
die societas ist ein „selbstnütziges Verhältniss“ 17°).
Anders beschaffen, und uns besonders interessirend, sind aber
jene Rechtsgebilde, in denen durch die Rechtsordnung unmittelbar
16) Das constitutionelle Gesetz bietet ein hervorragendes Beispiel, ferner
jeder königliche Regierungsact, da ein solcher im Einvernehmen mit einem
Minister erfolgen muss, endlich zahlreiche Fälle, in denen ein Einvernehmen
zwischen mehreren Behörden zu pflegen ist. — 177) Somm, Die deutsche
Genossenschaft 1888. S. 2832. E -- 17%) S. z. B. ZEILLER, Natürl. Pr.-R.
8153: „Der Begriff einer Gesellschaft enthält Einheit des Zweckes (?), Ein-
heit des Willens, Einheit der Kraft. Daher wird die Gesellschaft als ein
Vernunftwesen, als eine moralische Person bezeichnet.“ Eigenthümlich ist
es, das IHERING, der den egoistischen Charakter der societas betont, die Ge-
meinwesen und den Staat dennoch als mit den Gesellschaften wesensgleich
erklärt (Zweck im Rechte I. S. 94, 213 fi.). — ') Inerına a. a. 0.1.