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dadurch aus der Mehrheit der Willensträger ein einheitliches
Rechtssubject würde.
Solche Verbände kommen endlich vor bei Staatenverbindungen.
Denn haben wir soeben eine grosse Zahl von Verbänden kennen
gelernt, die eine Willensorganisation, eine Einigungsmöglichkeit
der Willens-Vielheit beim Fortbestehen der Rechtssubjectivität
der Genossen zeigen, so werden wir den Werth jener Argumen-
tation zu würdigen wissen, welche beim Staatenverband „das unter-
scheidende Merkmal vom vertragsmässigen Gesellschaftsverhältniss“
in der Geltung des Majoritätsprincipes erblickt 2%)!
Es gibt vielmehr eine grosse Zahl von staatlichen Verbänden,
internationalen Vereinen, Bünden, welche eine Willensorganisa-
tion besitzen, ohne dass es Jemandem beifallen könnte, die Per-
sönlichkeit der Mitglieder derselben eben desshalb zu leugnen ?°®).
Es gibt aber auch noch eine eigene Art dieser Verbände,
deren Eigenthümlichkeit darin besteht, dass ihre Mitglieder in
corporativer oder anstaltlicher Organisation fremde Rechte aus-
üben. Eine Mehrheit von Tutoren oder Curatoren bietet ein
Beispiel, wenn das Gesetz einen Majoritätsbeschluss als bindend
erklärt; auch den Familienrath, wie er in manchen Staaten vor-
kommt, mag man hieher zählen.
Verbände dieser Art sind nun auch die Organe der Gemein-
wesen inbegrifflich der staatlichen Behörden und Aemter. Auch
sie üben nicht eigene Rechte aus, denn keinem Unbefangenen
wird es beifallen, ein Gericht für das Subject des Rechtes zu
strafen, zu richten, ein Steueramt für das Subject des Rechtes
Steuern zu heben, eine politische Behörde für das Subject des
Rechtes Soldaten einzuziehen zu halten! Ein oder mehrere Willen
Dogmatik des D. Conc.-R.'s 1888. S. 88 ff. — 2°) So Häneı, Studien I.
S. 50. — %%) JELLINER, Die Lehre von den Staatenverbindungen $. 58, 158 ff.
HäneL schreibt daher auch dem Staatenbunde jur. Person zu a.a. O. S. 45;
dagegen JELLINEK 8. 176 ff, freilich auf Grund von Erwägungen, die ich
nicht theilen kann. —